Einführung in die Noomachie (Zweite Einheit) – Geosophie

Einführung in die Noomachie (Zweite Einheit) – Geosophie

Von Alexander Dugin

Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Markovics

Was ist Geosophie? Unter ihr verstehen wir die Anwendung der Prinzipien der Noologie auf das Studium konkreter Kulturen und Gesellschaften. Sie ist eine Art Zivilisationsanalyse mit Hilfe der Methode der drei logoi. Die Idee der Geosophie liegt nahe an dem, was man in Philosophie und Anthropologie „Perspektivismus“ nennt. Hier finden wir den interessanten brasilianischen Anthropologen Viveiros de Castro der einen interessanten Zugang zum Perspektivismus entwickelt hat. Der Perspektivismus ist die Idee, dass wir zum Beispiel die Vorstellung des modernen westlichen Menschen hinterfragen, dass es eine physische Welt gebe und dass es nur ein Kultur-Verständnis dieser Welt existiere. Das ist die moderne westliche, europäische Kultur und eine Art von universaler Wahrheit. Hier ist die Welt und hier ist das beste Verständnis dieser einen Welt, dieser einen Wahrheit und der westlichen Kultur als einer Art Weg von dieser einzigen Welt zur einzigen Wahrheit über diese Welt. Dies stellt den reinen Genozid an den anderen Kulturen dar, da jeder, der nicht diesen Weg geht als unterentwickelt und zur Kolonisierung freigegeben betrachtet wird und nach dem Beispiel des weißen (westlichen) Mannes ausgebildet werden muss. Das ist die koloniale Sicht.

Dagegen steht die sogenannte multikulturelle oder postmoderne Sicht, welche die Position vertritt, die in etwa so lautet: „Es gibt eine Welt. Lasst sie in Ruhe. Aber es gibt mehrere Interpretationen dieser einen Welt.“. Das ist Multikulturalismus. Das ist gar nicht so schlecht, da es dem Anderen die Möglichkeit gibt anders zu denken. Aber einige Anthropologen haben auch dies in Frage gestellt: „Was aber ist mit dieser einen Welt und ihren verschiedenen Interpretationen? Warum sind wir so sicher, dass es diese eine Welt gibt? Worin liegt die ontologische Grundlage für diese eine Welt, die man anders interpretiert?“ Und sie haben schließlich eingewendet, dass diese eine Welt die Projektion des westlich-europäischen Geistes auf die Natur darstellt. Das Konzept der Natur ist europäisch und die Natur besteht in der modernen, europäischen wissenschaftlichen Welt, die wir als gegeben annehmen, als eine objektive Realität, die anders ist und subjektiv interpretiert wurde. Das ist der Multikulturalismus. Die neuen Anthropologen haben eine Art kannibalistische Metaphysik geschaffen. Sie versuchten das Konzept der einen Welt, die verschieden interpretiert wird durch das Konzept verschiedener Welten zu ersetzen. Sie laden uns dazu ein, zu glauben, was Völker verschiedener Kulturen über diese ihre Welten sagen. Nicht um zu sagen „Das ist deren Interpretation der Welt.“, nein: Das ist die korrekte Beschreibung davon, was sie sehen und fühlen und worin sie leben. Das ist ein komplett neuer Zugang. Noologie und Geosophie sind die radikalsten Beispiele für die tatsächliche Anerkennung der Vielheit der Welten. Wir haben in der ersten Vorlesung über die drei Universen gesprochen, die in Verbindung zu den drei logoi stehen. Aber wir können sie auch auf der vertikalen Achse markieren, weil diese logoi in jeder Kultur vorkommen. Wir können also in jeder Kultur mit diesen drei logoi die Vertikalität erklären. Aber die Geosophie ist die Anwendung der Vertikalität auf den horizontalen Aspekt. Bei ihr handelt es sich um keine vertikale Interpretation, sondern um eine horizontale.

Die Geosophie basiert auf der Annahme, dass jede Kultur ihre eigene Welt erschafft. Und das erklärt nicht die universale Welt, die Erde, die sich um die eigene Achse dreht. Aber sie erklärt wie es ist in verschiedenen Welten zu leben, vielleicht mit einer flachen Erde oder einer konkaven Erde, und wenn die Menschen einer bestimmten Kultur denken, dass sie dort leben, müssen wir das akzeptieren und nicht von Anfang an denken, dass es sich dabei um keine korrekte Interpretation der Realität handeln würde und wir es besser wüssten als sie. Denn im Multikulturalismus haben wir es mit dem alten Rassismus des „Wir wissen es besser als ihr, aber wir lassen euch eure Illusionen.“ zu tun. Das ist Multikulturalismus. Und das ist der Multinaturalismus: „Du lebst in der Welt, die für dich real ist und da wir auf dich nicht unsere eigene Sichtweise projizieren können, ist deine Welt für dich richtig. Du lebst in dieser Welt und nicht in deiner Interpretation der Welt.“ Das ist eine Art neuer anthropologischer Zugang, der auf der Anerkennung der Würde jeder Kultur aufbaut.Wenn du so denkst, dann ist es für dich so. Und um dich verstehen zu können, mit dir sprechen und umgehen zu können müssen wir nicht deine Illusionen, sondern deine Wahrheit verstehen und uns in deine Position hineinversetzen. Das ist sehr wichtig und die Geosophie baut darauf auf. Die Idee liegt darin, dass wir nicht nur einen Raum, eine Zeit und einen Zeitrahmen vorliegen haben. Menschen aus anderen Kulturen interpretieren ihre Landschaft, Geschichte und so weiter auf verschiedene Arten. Die Geosophie baut darauf auf, dass wir, um von unserer Zivilisation, unserem Volk und unserer Kultur zu einer anderen überzugehen, zuallererst diese Völker fragen müssen, wie sie die Welt verstehen und wir ihnen nicht erklären sollten, worin die Realität der Welt besteht.

Das ist also Geosophie. Mit Geosophie ist nicht unser Verständnis der Erde gemeint. Sie ist die Idee, dass in jeder Kultur verschiedene Welten im selben Kontext koexistieren. Deleuze und Guattari haben in einem Buch versucht dies anzuwenden, aber eben auf eine postmoderne, linke und liberalistische, westlich-zentrierte Art und Weise und sprachen dabei über Geo-Philosophie. Um ein anderes Ergebnis als den ihren zu dogmatischen Anspruch zu erzielen, habe ich das Wort „Geosophie“ eingeführt (nicht Geo-Philosophie, sondern Geosophie). Das Konzept der Geosophie liegt darin, die andere Kultur zu studieren, wir müssen absolut an das glauben, von dem die untersuchte Kultur glaubt, dass es die Welt sei. Wenn wir zurückkehren, können wir zu unserem Glauben zurückkehren, aber wenn wir uns mit ihnen beschäftigen und sie studieren, sollten wir ihnen nicht unser Denken aufzwingen – wir sollten ihnen unsere Sicht über den subjektiven und objektiven Aspekt der Realität weder aufzwingen noch diesen auf sie projizieren. Vielmehr muss es darum gehen zu versuchen herauszufinden, was für diese Kultur, egal ob sie archaisch oder entwickelt, nordamerikanisch oder ozeanisch (Australien zum Beispiel) die Welt ist, objektiv oder subjektiv, wenn sie so etwas haben. Vielleicht haben sie kein Objekt oder Subjekt. Die Weisheit könnte für sie in der Abwesenheit des Objekts oder des Subjekts liegen. Ich habe einige Kulturen entdeckt mit einer sehr besonderen Absenz des Subjekts. Zum Beispiel bei den paläo-asiatischen Gruppen der sehr archaischen  Chukotko-Kamchatka Gruppen in Eurasien im Norden Russlands, auch bei einigen nordamerikanischen Stämmen gibt es Kulturen ohne ein Konzept des Subjekts. Für uns ist das unvorstellbar. Für die Afrikaner ebenso, weil die Mehrheit der afrikanischen Kulturen auf einem anderen Subjekt aufbaut, komplett unterschiedlich zu unserem Subjekt, einem Geist oder einem wiederkehrenden Ahnen, aber es gibt ein Subjekt. 

Es gibt so viele verschiedene Kulturen, dass wir uns das kaum vorstellen können. Und wir müssen sie als solche akzeptieren und dürfen sie nicht verurteilen und sie nicht hierarchisieren, zum Beispiel in: Animisten, Fetischisten, noch nicht Animisten, bereits Fetischisten usw., wie dies in der evolutionistischen Anthropologie passiert. Und eben dies wird eine neue Sicht auf die Erde möglich machen. Keine Zivilisation in der die Selben versuchen Macht und Ressourcen anzuhäufen und gegeneinander kämpfen, wie wir es tun. Einige Leute kämpfen vielleicht und andere nicht. Nehmen wir das Beispiel des Pfeiles. Die Menschen in manchen Kulturen lehnen den Pfeil ab. Zum Beispiel die Aborigines, da es in ihren Augen unmoralisch ist, jemanden mit einer geraden Bewegung zu töten. Der Bumerang hingegen ist eine Waffe, die auch einen selbst töten kann. Er schlägt zu und er kehrt zurück. Das ist die Idee der Reziprozität, vom Töten und getötet werden. Das ist gegen den Pfeil gerichtet. Das ist der beispielsweise der Unterschied zwischen den melanesischen und australischen Populationen. Es gibt so viele Unterschiede zwischen ihnen, weil sich die Ethik zwischen den schwarzen Aborigines und der sehr ähnlichen Papua-Zivilisation unterscheidet – sie haben einen komplett anderen logos und eine ganz andere Realität und sie leben in unterschiedlichen Welten, dennoch sollten wir nicht über sie urteilen, wer von ihnen entwickelter ist, die Zivilisation mit Pfeil oder die ohne Pfeil. Wir sollten beide verstehen. Wir sollten die Nordamerikaner auf die selbe Art sehen. Was machen sie hier und warum bombardieren sie Belgrad? Das ist nicht einfach. „Weil sie uns hassen“ ist keine Erklärung. Wie verstehen sie die Welt? Vielleicht wissen wir in diesem Fall besser, wie sie die Welt verstehen. Aber es gibt so viele Menschen, die ganz anders denken, die in ganz anderen Welten leben, über die wir erstaunt sein würden, wenn wir sie kennenlernten. Der Reichtum der Geosophie besteht nicht in einfachen Platitüden wie „die Amerikaner gegen alle anderen, diese Anderen gut, die Amerikaner sind schlecht” und so weiter. Nichts dergleichen. Es gibt eine reiche Realität mit Gut und Böse, aber nicht ohne verschiedene Reinterpretationen der Realität. Es gibt mehrere Realitäten in der Welt. Und das ist die Menschheit. Die Menschheit besteht nicht nur aus einem Denkweg. Es sind viele Gedanken, die auf vielfältigen Wegen koexistieren. Manchmal dramatisch entgegengesetzt und konfliktreich, manchmal sehr friedlich. Die Geosophie ist die Methodologie mit der man Zivilisationen beschreibt.

Im ersten Band habe ich eine ausführliche Studie über fast alle Denkschulen dargelegt, die sich mit Zivilisationen im Plural beschäftigen (nicht eine Zivilisation, mehrere Zivilisationen), beginnend mit Danilevsky, Spengler, Tonybee, Huntington (als modernen Amerikaner) und vielen anderen.  Die Idee ist, dass wir die Zivilisationen als Kulturen und Welten verstehen, Welten welche absolut durch die in ihnen lebenden Menschen und nicht von uns definiert werden. Hierbei handelt es sich also um eine Einführung in meine anderen Bände, in welchen konkrete Welten und Zivilisationen studiert werden. Was ist hier wichtig im Sinne der Methodologie? Zuallererst muss ich anmerken, dass jede Zivilisation, oder jedes Volk oder eine Ganzheit welche die wichtigsten Aspekte der Kultur miteinander teilt, von uns Volk genannt wird. Bei dieser Gesellschaft oder Kultur handelt es sich um etwas, worin die Menschen in mehr oder weniger derselben Welt leben, weil es zwischen den Welten Grenzen gibt, die nicht das selbe sind die wie die Grenzen zwischen den Individuen. Sie werden zum Beispiel durch die Sprache miteinander verbunden, die Religion und andere Dinge. Es gibt viele Grenzen, aber eine der Entitäten, mit denen wir uns beschäftigen, wenn wir über Zivilisation oder Geosophie sprechen, ist das Volk, oder Arten von Kulturen oder Zivilisationen, die mehr oder weniger das Selbe sind, wenn man ihre Unterschiede ignoriert, die in der organischen Gemeinschaft der Sprache, der Werte, derselben Welt bestehen. Manchmal ist es ein sehr kleiner Stamm. Manchmal handelt es sich um eine große Zivilisation mit Millionen von Menschen. Die Quantität ist dabei nicht so wichtig. Die Qualität dieser Welt ist es, die ausschlaggebend ist. Eine kollektive Gemeinschaft, die das selbe Weltbild teilt und in derselben Welt lebt. Das ist Zivilisation.

Und wir befassen uns mit diesen Entitäten und studiere sie, nicht nur um eine Liste von ihnen anzufertigen, damit wir ein Maß finden können, was wir als Entität, Teil davon oder Supra-Entität behandeln können. Das ist die Frage, ebenso wie die Nomenklatura, die in diesem Buch diskutiert wird. Und dabei bin ich zu der wichtigen Schlussfolgerung gelangt, dass wir im Umgang mit dieser Entität immer den Moment der Noomachie sehen. Das Konzept kommt an. Wann ist die Stunde der Noomachie? Sie ist das konkrete Gleichgewicht im Kampf zwischen den drei logoi. Drei logoi befinden sich im Kampf. Das ist offensichtlich. Und die konkrete Stunde des Kampfes ist die konkrete Identität einer solchen Ganzheit als Kultur oder Zivilisation. Nehmen wir die griechische Kultur als Beispiel. Sie gründet auf der Dominanz und dem Sieg des logos des Apoll über den logos der Kybele. Alle griechischen Kulturen bauen darauf auf. Es gab die  pelasgische  vorgriechische Tradition der Großen Mutter, welche durch die mykenische und mionische Kultur repräsentiert wurde. Und dann kam es zur hellenischen Invasion mit komplett anderen, apollinischen Werten. Worin liegt also die Identität der griechischen Kultur? Wir verstehen jenen Moment als griechisch in der Noomachie, wenn der logos des Apoll in Form der Dioskuren den Drachen Python überwältigt und tötet. Dieser war das Orakel der Großen Mutter. Das ist der Moment wenn der logos des Apoll den logos der Großen Mutter überwältigt und den Ausschlag gibt. Es ist eine Art Sieg in der Titanomachie. Die griechische Zivilisation baut auf dieser Stunde des Sieges in der Titanomachie auf. Die Titanen, die Söhne der Großen Mutter, griffen die Götter an. Die Götter schlagen zurück und gewinnen. In der griechischen Zivilisation siegen die Götter, genauer gesagt die olympischen Götter. Apoll siegt über Kybele.

Bei all dem handelt es sich auch um einen Krieg der Interpretation. Es ist ein Krieg um das Denken und die Interpretation jeder Art von religiösen und kulturellen Symbolen, aber auch politischer Organisation. In unserem Beispiel hat das Patriarchat über das Matriarchat gewonnen. Andere Zivilisationen, zum Beispiel die iranische Zivilisation, gründet auf der Idee, die der griechischen Zivilisation sehr ähnlich ist, dem Sieg   Ahura Mazdas (dem Gott des Lichtes) über Ahriman (den Gott der Dunkelheit). Wir haben es hier also mit zwei unterschiedlichen Namen aber derselben Symmetrie, derselben Titanomachie und demselben Sieg zu tun. Zwei unterschiedliche Zivilisationen gründen auf einem ähnlichen Moment der Noomachie, zwar mit einer anderen Kultur aber demselben Konflikt. Um zu erkennen, was der logos im horizontalen Sinn ist, im Horizont der konkreten hellenischen Zivilisation, müssen wir den logos definieren und wo wir uns innerhalb der Noomachie befinden. Die Mehrheit der indoeuropäischen Gesellschaften (germanisch, keltisch, römisch, griechisch, iranisch und indisch) gründen zum Beispiel auf demselben Moment der Noomachie. Es ist der Sieg des logos des Apolls über den logos der Kybele. Wir glauben irrigerweise, dass jede Zivilisation auf demselben Moment basiert. Das ist aber überhaupt nicht der Fall. Ein sehr anschauliches Beispiel ist dafür die Situation der chinesischen Zivilisation. Die chinesische Zivilisation ist komplett anders. Bei ihr handelt es sich um eine rein dionysische Zivilisation, in der es ein Gleichgewicht zwischen Ying und Yang gibt, zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen, zwischen Himmel und Erde und eben nicht um die Dominanz des Himmels über die Erde. Ihre Norm ist das Gleichgewicht. Wenn der Himmel dominiert, erscheint ein Bogenschütze, um mit seinen Pfeilen die Sonne und den Himmel zu töten. Dann beginnt die Flut und ein neuer Held erscheint, welcher versucht, die Fluten des kalten Wassers einzudämmen. Das Gleichgewicht ist also die Norm und nicht der Sieg der Götter über die Titanen. Das ist eine ganz andere Logik. Hier gibt es keinen linearen apollinischen logos. Es verhält sich nicht immer so, aber alles, was wir von der chinesischen Zivilisation vom sogenannten Jadekaiser bis hin zu Hu Jintao (dem damals aktuellen Staatspräsidenten Chinas, Anmerkung AM) kennen, ist ein dionysisches Moment. Und jede Änderung des Gleichgewichts findet innerhalb dieser dionysischen Version statt. Die Chinesen leben also in einer dionysischen Welt, die einmal mehr apollinische und einmal mehr kybelische Momente besitzt, aber eben innerhalb dieses Moments. Dabei handelt es sich aber nicht um das Schicksal der Chinesen. Wir sollten nicht sagen, „das wird ewig fortdauern“, denn wir wissen es nicht. Vielleicht wird ein Wandel stattfinden, vielleicht aber auch nicht. Es ist nicht der Wahrheit letzter Schluss. Es ist ein Moment der Noomachie.

Um mit verschiedenen Zivilisationen arbeiten zu können, müssen wir zunächst das Moment der Noomachie definieren. Demnach sollten wir annehmen, dass sich das Moment der Noomachie verändern kann. Es ist kein Art eingefrorener Zustand. Die Noomachie geht nach innen. Zum Beispiel verwendet die chinesische Kultur seit tausenden von Jahren große Anstrengungen darauf, das dionysische Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, wendet alle Kräfte auf, um die Balance zu konservieren, zu schützen, da, wenn sie das zum Beispiel sein lassen würde, das dionysische Gleichgewicht plötzlich gestürzt werden könnte. Es ist also weder leicht noch als garantiert hinzunehmen, dass sie immer dionysisch bleiben wird. Wenn sie aufhören chinesisch zu sein, könnten sie auch aufhören dionysisch zu sein. Wenn sie zum Beispiel kolonisiert oder von Innen zerstört werden würden, könnten sie aufhören alle Anstrengungen ihrer Existenz dem Verhindern von zu viel Ying und zu viel Yang zu widmen. Im indoeuropäischen Fall ist es dasselbe: Sobald wir aufhören für Apoll zu kämpfen, erscheint Kybele, weil sie immer schon vorhanden war und ist. Sie wird umgehend angreifen, wenn wir aufhörten der Materie den apollinischen Willen aufzuzwingen. Das ist auch sehr wichtig. Das Moment der Noomachie sollte nicht als ewige und selbstverständliche Identität der Kultur einer Zivilisation angesehen werden. Es könnte sich jederzeit wandeln.

Das ist der Sinn der Geschichte, da die Geschichte ein Kampf der logoi ist. Und jedes Volk führt seine eigene Version dieses Kampfes. Dabei befinden sich jedes Volk und jede Kultur in unterschiedlichen Momenten der Noomachie, die durch ihre eigenen Proportionen definiert werden. Es gibt zum Beispiel Völker, in denen Kybele dominiert; afro-asiatische Völker wie die Semiten, die Ägypter, die Berber oder die Kuschiten, hier finden wir einen großen Einfluss und die Macht der Kybele vor. Sie konnten ihm von Zeit zu Zeit entfliehen, aber er ist eine Art natürlicher Neigung. Dennoch ist er kein Schicksal. Sie könnten das ändern und etwas ganz anderes erschaffen. Aber Identität ist ein Prozess. Die Identität des Volkes wandelt sich fortwährend und ist also dynamisch. Die Verteilung der drei logoi im selben Volk und der selben Gesellschaft können sich von anderen Gesellschaften unterscheiden und sich im Verlauf der Geschichte im gleichen Volk verändern, auch ohne ethnische und soziale Veränderungen. Am Ende erhalten wir eine sehr dynamische und auf mehreren Ebenen verteilte Struktur der Geosophie. Es kann also horizontale Unterschiede zwischen einer Gesellschaft und einer anderen geben, welche in einem anderen geographischen Raum existiert, aber sie können dasselbe Moment der Noomachie teilen. In den Beziehungen untereinander ist all das sehr wichtig. Die Beziehungen der Griechen, mit ihrem Moment der Noomachie, mit den Iranern, die im selben Moment des Sieges Apolls über Kybele lebten, waren beispielsweise dennoch konfliktreich. Das waren zwei verschiedene Formen des apollinischen logos, da die Gleichgewichte, die Proportionen und die Kombinationen unterschiedlich waren. Wenn also mehr oder weniger das gleiche Moment in der Noomachie herrscht bedeutet das nicht, dass sie komplett übereinstimmen.

Gleichzeitig kann in jeder Kultur oder geosophischen Einheit die wir betrachten ein historischer Wandel stattfinden. Und der Wandel dieses Elements der Noomachie, zum Beispiel die Dominanz des logos des Apolls über den logos der Kybele oder des logos der Kybele über den logos des Dionysos, kann sich verändern. Die Geschichte und die Richtung dieses Wandels sind also nicht universal oder allgemeingültig. Sie ist eine Art Produkt der inneren Dynamik eines Volkes. Wir haben also viele Zivilisationen mit vielen Welten, mit vielen unterschiedlichen Momenten der Noomachie, die sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Es gibt also keinen Musterweg. Wir gehen nicht alle den Pfad zu Kybele oder zu Apoll. Jeder geht seinen eigenen Weg. Das ist Geosophie. Geosophie bedeutet die Anerkennung der Vielheit der Kultur im Sinn von Raum und Zeit. Jeder ist also unterschiedlich und geht in eine andere Richtung mit einer anderen Geschwindigkeit und das Ende des Weges bleibt offen. Vergleichen wir das mit dem einflussreichsten Konzept von Geschichte. Es gibt im christlichen oder muslimischen Denken nur einen Weg, nur eine Wahrheit und vielleicht eine oder zwei mögliche Pfade, um zu dieser Wahrheit zu gelangen, einen falschen und einen richtigen. Dieser Weg ist Ausdruck einer angenommenen universalen Norm. Und es gibt einen Raum, eine Zeit, ein Objekt. Und vergleichen wir jetzt dieses enge, rein rassistische, rein ethnozentrische Verständnis der menschlichen Geschichte mit dem was die Geosophie vorschlägt: Die Geosophie legt uns nahe viele Welten zu entdecken ohne die Erde zu verlassen. Diese neuen Welten, diese anderen Welten, existieren hier neben uns und sind für uns neu. Aber wir bemerken sie nicht, weil wir unsere enge Sichtweise darüber auf sie projizieren. Der russische Autor und Eurasier Graf Trubetzkoy  hat zum Beispiel gesagt einmal gesagt, dass wenn wir uns die Struktur westlicher Rechtsbücher ansehen und insbesondere ihre Konzeption eines universalen Rechts, wir eintausend Seiten über das Römische Recht und seine Geschichte finden und nur zwei Seiten zum chinesischen Recht. Wir haben es hier also mit einem universalen Recht zu tun, das jedes andere Recht außer Acht lässt. Aber um universal zu sein, ist es nicht genug das Römische Recht eingehend studiert zu haben, während man sich mit dem chinesischen Recht nur sehr oberflächlich beschäftigt hat. Das ist überhaupt kein Universalrecht. Es ist nur das Römische Recht mit zwei Seiten über das Chinesische Recht vom Gesichtspunkt des Römischen Rechts aus interpretiert und darin ist überhaupt nichts universal.

Die Geosophie ist also die Einladung zur echten Universalität, zur wahren Akzeptanz des Reichtums eines jeden Volkes, jeder Gesellschaft und jeder Zivilisation in einer ehrlichen Art und Weise. Sie bedeutet ernsthafte Multipolarität und Toleranz. Das ist nicht dieser verschleierte Rassismus in Form der modernen liberalen Globalisierung, die das Resultat nur einer Zivilisation, der westlichen Zivilisation, ist, die sich universal auf jeden anderen projiziert. Obama zum Beispiel ist absolut weiß. Er ist ein Anhänger der Theorie von der Überlegenheit der Weißen. Er ist genauso weiß wie Hitler. Das soll heißen, es ist absolut nichts Afrikanisches an ihm. Er ist ein reiner W.A.S.P., weil es an ihm nichts gibt, das außerhalb der amerikanisch angelsächsischen Mentalität liegt. Und die ganze Globalisierung verhält sich ebenso: Es ist die Übertragung desselben sehr engstirnigen Resultats der modernen und postmodernen westliche Kultur auf die Menschheit. Es ist hat nichts mit Dialog, Vielheit, Pluralismus oder Toleranz zu tun. Das ist reiner kolonisatorischer Rassismus, der auf den wildesten Vorurteilen basiert, mit denen wir es zu tun haben.

Die Geosophie übernimmt also in dieser Situation die revolutionäre Aufgabe, diese Haltung zu zerstören, die Welt wiederzuentdecken und jede Art von Zivilisation zu dekolonisieren, um den Anderen das Recht zurückzugeben anders zu sein, ohne die Globalisten um Erlaubnis fragen zu müssen und schließlich Identitäten genau so anzunehmen, wie diese Identitäten sind – schlecht oder gut, akzeptiert oder verfemt, radikal, extremistisch, archaisch, auf den Menschenrechten aufbauend oder nicht, das ist ganz gleich. Die Menschenrechte sind ein rein rassistisches Konzept, weil in den Menschen und den Rechten nur das Römische Recht wahrgenommen wird und das westliche Verständnis davon, was menschlich ist (also das Individuum). Das ist die liberal-totalitäre Idee der Menschenrechte, weil sie niemanden fragen, was er über sie denkt. Zum Beispiel stellt niemand einem Chinesen die Frage „Was ist für dich menschlich?“, sondern eher: „Du solltest konsequenter darin sein, deinen chinesischen Dissidenten Menschenrechte zuzugestehen!“. Mehr sagen sie nicht. Das ist eine komplett kolonialistische Haltung. Niemand fragt die Chinesen was für sie menschlich ist, niemand kümmert sich darum. Und das ist so, weil die Globalisten besser zu wissen glauben, was menschlich ist, weil sie die Norm setzen, was menschlich ist und was nicht. Überall wo sie behaupten wahrhaft pluralistisch, wahrhaft demokratisch oder wahrhaft menschlich zu sein, sind sie eigentlich rassistisch. Und genau dagegen ist die Geosophie; nicht aus ethischen, sondern aus methodologischen Gründen, weil sie auf dem Perspektivismus gründet, der ein gründliches Studium der Zivilisation ohne Vorurteile voraussetzt. Stellen Sie sich vor, sie sind ein Serbe, ein Russe, orthodoxer Christ, also Teil der christlich indoeuropäischen Zivilisation, und untersuchen eine kannibalistische Gesellschaft. Dabei projizieren wir unsere Idee von Kultur. Wir sehen sie als eine schlechte Gesellschaft an, weil sie einander essen. Sie ist für uns satanisch, dämonisch oder unterentwickelt. Wir fragen nicht danach. Wir versuchen sie sofort unserem Verständnis nach zu verändern. Es ist vielleicht natürlich, aber es ist auch irreführend. Daher müssen wir das ändern und die Idee liegt darin zu akzeptieren, was die Mitglieder einer Gesellschaft als Realität annehmen und was für sie die Werte, die Natur, das Subjekt, das Objekt und die Geschichte sind.

Hier begegnen wir einem grundlegenden methodologischen Problem. Wie können wir unterschiedliche Gesellschaften mit nur einer Sprache und nur denselben Kriterien studieren? Wir brauchen daher zumindest kleine Dinge wie gemeinsame Kriterien, welche wir auf unterschiedliche Gesellschaften anwenden können, um zu sehen ob es eine Beziehung gibt oder nicht, in einer ergebnisoffenen Art und Weise. Wie ich bereits ausgeführt habe, habe ich versucht die drei logoi auf jede Zivilisation, auf jede Kultur anzuwenden, die ich studiert habe und überall bin ich auf klare Spuren von ihnen gestoßen. Es handelt sich dabei also um etwas wirklich universales. Bei dem Vorhandensein der drei logoi handelt es sich also vielleicht um etwas Universales. Und es gibt den Kampf zwischen ihnen mit einem offenen Ende. Anhand der Geosophie habe ich versucht ein Kriterium zu finden, welches sich nützlich für das Studium der Zivilisationen erweisen sein kann und anhand dessen die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen aufgezeigt werden können. Zuallererst habe ich Heidegger und der Phänomenologie folgend das Konzept des Existenzraumes oder Existenzhorizonts ausgewählt. Was ist dieser Existenzraum? Er ist das „Da“ im Da-sein. Es ist der Raum, der mit dem deutschen Wort „da“ bezeichnet wird. Das ist ein Raum, aber nicht der Raum der Wissenschaft, sondern der Raum als Konzept. Es ist der Raum, wo das Sein ist. Und dieser Raum existiert nicht ohne das lebendige denkende Sein. Es ist existenziell. Wenn es das denkende Subjekt und Kollektive mit Sprachen, Kultur, Wurzeln, einer Art von Symbolsystem gibt,  dann gibt es auch den Existenzraum und den Existenzhorizont. Und hier haben wir dieselbe Struktur des Existenzhorizonts, wir haben denselben Existenzraum, wir haben dasselbe Dasein und wir haben dasselbe Volk oder die selbe Kultur. Wo ist die Grenze? Hier beginnt das Andere.

Das ist also wichtig, um zu wissen, wie man bei der Trennung vorgehen muss, um eine Nomenklatur der Völker, Kulturen und Zivilisationen zu erschaffen. Wenn wir das Kriterium des Anderen ausgeklügelter, entwickelter anwenden, können wir anfangen uns mit den sekundären Ergebnissen dessen was bereits über dem Existenzraum errichtet wurde beschäftigen. Dieser Existenzraum ist also sehr wichtig und mit dem Konzept der Vielheit der Dasein verbunden. Ich habe mit dem direkten Schüler und Nachfolger von Heidegger, Professor Hermann, in Freiburg, Deutschland, über die Vielheit des Daseins gesprochen. Er hat gesagt, dass Heidegger dachte, dass das Dasein universal sei und es nur ein Dasein gibt (weil er ein Rassist war). Er dachte, dass das deutsche, europäische, griechisch-römische Dasein das einzige wäre. Und er schob vorsichtig das andere Dasein als nicht-Dasein zur Seite. Für ihn gab es nur ein Dasein, weil es nur eine Philosophie gab, so wie es für ihn nur ein logos gab. Das war der westeuropäische logos. Es ist normal für sie, das als einen absolut legitimen Ethnozentrismus zu betrachten. Hermann hatte gesagt „aber das Dasein wurde von Heidegger als die Beziehung zum Tod definiert und der Tod ist für jedes menschliche Sein das selbe.“ Ich habe darauf geantwortet „Gar nicht. Überhaupt nicht. Der Tod ist nicht für jeden dasselbe.“ Jede Kultur, jedes Dasein hat seine eigene Beziehung zum Tod. Und genau in dieser Beziehung zum Tod (hier stimme ich zu, dass es sich um die wichtigste Charakteristik des Daseins handelt) liegt eine Besonderheit und Originalität des Daseins. Und das habe ich in meinem Buch über Heidegger dargelegt. Ich habe vier Bücher über Heidegger geschrieben. Das zweite Buch trägt den Titel  Martin Heidegger: Die Möglichkeit einer russischen Philosophie. In diesem wende ich Heideggers Kriterium des Existenziellen (mit z) auf das russische Dasein an. Und ich habe herausgefunden, dass die Mehrheit seiner Kategorien sich nicht auf die russische Situation anwenden lässt. Wir haben eine andere Beziehungen zum eigentlichen Kern der existenziellen Realitäten, zum Tod, zu Gott, miteinander, mit dem Platz des Menschens. Die Dasein sind also zahlreich, das ist sehr wichtig. Und der Existenzhorizont definiert die natürliche Grenze des Daseins. Er korrespondiert, zumindest teilweise, mit den geographischen Grenzen. Das ist normal, weil die Menschen in einem konkreten Raum leben.

Wir können diesen Existenzraum als einen Raum ansehen, in dem Menschen leben, also als einen Lebensraum. Aber gleichzeitig kann er nicht ohne menschliche Wesen, ohne Volk, ohne Sprache, ohne Tradition existieren. Wenn man eine gemischte Population in einen Raum verpflanzt, wird daraus kein Existenzraum. Das ist nicht Dasein. In unserer Geschichte gibt es ein sehr schwieriges Beispiel dafür – das Volk von Kaliningrad innerhalb von Russland, das zuerst bei Preußen war, Menschen aus baltischen Stämmen, die von den Deutschen erobert und assimiliert wurden und danach von uns, wobei wir die Deutschen vertrieben haben. Das ist also ein russischer Raum, weder ein deutscher noch ein baltischer. Es gibt hier also einen Raum, Menschen die dort leben, eine Kultur und eine Geschichte, aber kein Dasein. Ein Teil des Territoriums dieses Raumes ist von seinem existenziellen Aspekt her evakuiert worden. Das sind sehr spezielle Bedingungen. Ich habe die serbische Geschichte studiert und bin zur Einsicht gekommen, dass die Migration der Serben eine ähnliche Idee über die Grenzen der Serben entstehen ließ. Könnten die Serben ohne ein serbisches Heimatland existieren oder nicht? Das bleibt eine offene Frage. Hier haben wir es mit einer Art exilischer Tradition zu tun. Diese beschäftigt sich mit dem Problem des existenziellen Daseins. Existenzielles Dasein definiert sich nicht durch das Territorium. Und es besteht nicht nur aus dem Volk. Es ist die Beziehung des Seins zum Platz, die sich durch das Volk, durch die Kultur, durch die Menschen und durch das Denken hindurchzieht. Es ist eine sehr besonderes Konzept, aber auch sehr wichtig für die Geosophie, da die Geosophie genau diese Existenzhorizonte studiert. Es ist die Beziehung des Seins zum Raum, die durch die Kultur, die Sprache, die Tradition, durch die Identität geht.

Wir können also sagen, dass wir das Volk studieren, aber nicht das Volk im Sinne ethnologischer Studien, die auf einem demographischen Aspekt oder statistischen beziehungsweise formalen Materialien aufbauen. Das ist eine Studie des Daseins. Wenn wir zum Beispiel die Serben studieren, sollten wir zuerst die Frage stellen „Was bedeutet es Serbe zu sein?“. Das ist nicht einfach. Jede formale Antwort ist nicht genug. Oder was es bedeutet Russe zu sein. Und genau an diesem Punkt beginnen unsere Dichtung, unsere Philosophie, unsere Vorstellung, unsere politischen Ziele, alles ist hier. „Was bedeutet es Serbe zu sein?“ Was bedeutet es Russe zu sein?“ Und das ist nicht abstrakt. Wir könnten nicht behaupten: „Diese Dinge sind serbisch, diese Dinge sind russisch.“ Nein. Wir geben die Antwort darauf durch unsere gesamte Geschichte. Wir könnten zum Beispiel sagen, dass es unser Reich ist. Aber das Reich wächst und schrumpft und welche Grenzen sollen nun genau zeigen, dass wir Russen sind? Aber auch unsere Niederlagen und Fehler können unsere Antwort darauf sein, was es bedeutet serbisch oder russisch zu sein. Der Existenzhorizont ist mit dem Raum verbunden und dem Volk, aber nicht auf eine materielle Art und Weise.  Somit kann niemand die Antwort auf die Frage geben, was es bedeutet Serbe zu sein. Weder die Engländer noch die Russen können eine befriedigende Antwort darauf geben. Aber auch viele Serben können sie nicht beantworten. Weil es ein Prozess ist. Er ist eine offene Frage der Identität, die man existenziell verstehen muss.

             Als praktische Folge der Geosophie müssen wir mit einem Studium des serbischen Daseins beginnen. Heidegger dachte, dass das Dasein einzigartig wäre. Wir stimmen überein, dass es eine Vielzahl, mehrere Dasein gibt. Wir beginnen damit und könnten die konkrete Frage stellen „Was bedeutet es Serbe zu sein?“. Und das ist keine vergebliche Frage. Sie ist etwas,dass Sie und Ihre Ahnen mit Blut bezahlt haben, mit dem Körper, mit dem Kosovo, mit König Lazar, mit all Ihrer Geschichte, Ihrer ganzen Existenz, ist eine Art Lösung dieses Problems, was es bedeutet Serbe zu sein. Und die Zukunft ist hier. Und die Zukunft des Kosovo und Metochiens ist hier und die Zukunft der serbischen Identität ebenfalls. Und die Antwort darauf gehört nicht der Vergangenheit an oder nur der Gegenwart. Es ist eine ewige Frage. Sie sind Serbe weil Sie innerhalb dieses Existenzhorizonts sind und dieses Problem lösen. Vielleicht lösen Sie es nicht selbst, aber Sie sind ein Teil der Lösung. Die Kultur und die Sprache, die Tradition und die Werte und vielleicht auch der Körper sind ein Teil davon. Die Schöpfung der Ahnen und der Zukunft, der Kinder und der Familien sind alle in diesen Existenzhorizont eingeschrieben. 

Ich denke aber, dass wir das Konzept des Existenzhorizonts deswegen so dringend brauchen, da wir ohne ihm nicht die richtigen Fragen stellen können, die es jetzt zu lösen gilt. Sonst sehen wir – als Population – zum Beispiel das BIP als unsere wichtigste Frage an, wie viel Einkommen wir bekommen oder wo es bessere Möglichkeiten für soziale Mobilität gibt. Wenn wir zum Beispiel die Serben aus einem russischen Blickwinkel heraus betrachten, erhalten wir eine komplett andere Antwort, die nichts in unserer Geschichte erklären kann. Der Existenzhorizont ist das Schlüsselkonzept der Geosophie und ohne es könnten wir kein echtes Studium der echten Identität in seiner Ganzheit beginnen. Beim Existenzhorizont handelt es sich um das grundlegende methodologische Prinzip der Noologie und Geosophie. Der zweite Begriff ist auch sehr wichtig. Wenn der Existenzraum sich mit dem sogenannten Raum beschäftigt, dann im Sinne des „dazwischen“, irgendwo wo das menschliche Denken gegenwärtig ist. Daher sollten wir uns auch mit der existenziellen Zeit beschäftigen. Dies ist die zweite Kategorie der Geosophie. Dies ist ihrem Ursprung nach auch heideggerianisch. In  Sein und Zeit  machte Heidegger eine Unterscheidung zwischen den beiden deutschen Begriffen „Geschichte“ und das „Historische“.   Man übersetzt sie genau so. ‘Geschichte’ entspricht dem englischen Wort „history“ und ‘historisch’ dem Begriff „historic“.  Manchmal verwendet Heidegger auch den Begriff ‘Seinsgeschichte.’ Er bedeutet Onto-Geschichte, die Geschichte des Seins. Und damit haben wir bereits eine wichtige Klarstellung des Begriffs vorliegen. ‘Geschichte’ oder ‘Seinsgeschichte’ bedeuten im Deutschen  Zeit, die mit dem Sein verbunden ist. Wenn zum Beispiel ‘da’ der mit dem Sein verbundene Raum ist, versteht man unter ‘Geschichte’  die mit dem Sein verbundene Zeit. Also können wir sie die Zeit des Seins oder die existenzielle Zeit nennen.

Es ist interessant dass der Nachfolger Heideggers, der große französische Philosoph Henry Corbin, der beste Spezialist für die islamische esoterische Tradition, versucht hat den Unterschied zwischen „historisch“ und „Geschichte“ ins Französische zu übersetzen, indem er zwei neue Wörter ins Französische eingeführt hat: historique (historisch) und l’historial (Geschichte). Im Englischen gibt es einen solchen Unterschied nicht. Im Russischen und Serbischen ebenso, alles ist konzeptuell, wir beschäftigen uns mit einem Konzept. Also können wir versuchen historisch und Geschichte zu verwenden. Die Geschichte als Substantiv und das historische. Es ist pragmatisch, aber die Bedeutung ist eine andere. Lasst uns die Geschichte eine Art Geschichte des Seins nennen. Also ist sie die Geschichte des Seins. Sie ist nicht die Konsequenz der Fakten, sondern die Konsequenz der Bedeutungen. Also ist die Geschichte eine Art von intellektueller und existenzieller Lesart des Historischen. Die Geschichte ist der ontologische Aspekt des Historischen. Historisch ist eine dokumentierte Tatsache. Aber die Geschichte ist die Erklärung der Tatsache. Aber wenn wir durch das Historische leben, erklären wir uns nicht im Nachhinein. Indem wir in der Geschichte leben begehen wir Taten die historisch oder geschichtlich sein könnten. Wenn sie historisch sind haben sie etwas mit dem Dasein, unserer Identität mit unseren tiefen Wurzeln zu tun. Wir existieren historisch. Und historisch scheinen alle Elemente von außen dokumentiert.

Also ist das Historische etwas das mit Fakten zu tun hat und Geschichte ist etwas das mit Bedeutung und Sein zu tun hat. Im Französischen benützt Henry Corbin  l’historial (Geschichte) als Substantiv (l’historial – die Geschichte). Ich verwende im Russischen den Begriff ‘историал.’ Es mag ein sehr seltsames Wort sein, aber es hat eine konkrete Bedeutung in der Geosophie und in der Noomachie. Wir haben also einen existenziellen Horizont, einen existenziellen Raum und eine existenzielle Zeit. Die Existenzzeit ist unsere Interpretation der Geschichte. Die Fakten in dieser Interpretation der Geschichte sprechen zum Beispiel zu uns, zu unserer Seele, zu unserem Blut, zu unserem Geist, zu allem. Für andere wiederum kann es ein Ereignis ohne besondere Bedeutung sein, gewöhnliche Ereignisse, welche andere mit ihrem Maß messen. Und wir messen diese Ereignisse nicht materiell, nicht quantitativ, sondern wir leben durch sie. Zum Beispiel ist die Schlacht auf dem Amselfeld, Kosovo Polje das serbische Ereignis. Sie ist ein Schlüsselteil der serbischen Geschichte, nicht historisch. Aus historischer Sicht können wir sagen, dass Jemand eine Schlacht gegen den anderen geführt hat und König Lazar dabei nicht so gut ausgestiegen ist und so weiter. Aber in unserem methodologischen Verständnis dessen was es heißt Serbe zu sein, legt dieser Schlüsselmoment die Grundlage für das Sein nach dem Kosovo und vor dem Kosovo, weil der Kosovo das Ende von etwas war und der Anfang von etwas und gleichzeitig eine ewige Schlacht darstellt. Und der ewige Aspekt dieses Ereignisses hat etwas mit dem existenziellen Aspekt des serbischen Daseins zu tun. Für uns ist es dasselbe wie die Schlacht an der Kalka, die Schlacht von Poltava oder der Zweite Weltkrieg. Es gibt bei dieser Sache also nicht nur eine Bedeutung. Die Bedeutung dieses Ereignisses gehört zum Volk, zum Dasein, zum serbischen Dasein, zum russischen Dasein, zum amerikanischen Dasein, zum französischen Dasein, zum chinesischen Dasein. Die Bedeutung und die Realität davon was ist, war und sein wird, hängt direkt von den existenziellen Beziehungen zur Zeit ab.

Husserl sagte, dass die Zeit wie eine Melodie ist. Wenn Sie zuerst eine Note hören und danach eine andere Note und eine weitere Note, dann liegt eine Logik vor. Sie kennen also die Tonalität, die Akkorde und wenn eine Note nicht richtig ist, sind Sie davon irritiert. Sie versuchen die Melodie zu verbessern, die richtige Note zu spielen. Die nächste Note wird durch die vorangegangenen Noten vordefiniert. Auch die Geschichte besteht nicht bloß aus Fakten, Fakten, Fakten. Es gibt eine Melodie. Sie ist logisch. Und wir können die Note verpassen oder die Musik verzögern. Zum Beispiel sollten da Akkorde sein, aber es kommt kein Akkord. Und wir leben, warten auf die Akkorde, die wir bereits vorausahnen. Die Geschichte ist Musik. Und nur das Volk oder das Dasein verstehen diese Musik. Sie ist nicht universal. Sie können nicht etwas hören und jeder dechiffriert aus dem Krach eine spezielle Frequenz. Die Geschichte jedes Volkes hat ihre eigene Frequenz. Die Russen hören unsere russische Melodie und wir hören sie sehr gut. Und ihr hört eure serbische Melodie, aber sie wird auf einer anderen Frequenz gespielt. Von außen ist es also schwer zu sagen, ob ihr euch in einem guten Zustand oder einem schlechten Zustand befindet und euch auf dem Weg in die Dekadenz befindet. Es gibt also keine universalen Kriterien für die Geschichte, weil sich die Beziehungen zur Zeit im existenziellen Besitz des Daseins erstrecken. Und nach all dem werden der Existenzhorizont und die Existenzzeit (die Geschichte) von der Noomachie definiert, weil jederzeit Ihre Melodie in der Geschichte oder Ihre Identität als Volk durch die drei logoi aufs Spiel gesetzt werden könnte.

Es besteht also eine Art Gleichgewicht in der Dynamik des logos. Als die Türken kamen, hatte sich ein Teil des serbischen Volkes dazu entschieden, sich in die neue Situation zu integrieren. Das bedeutet für immer. Und der andere Teil machte so wie König Lazar eine andere Entscheidung. Ihr solltet bei der Orthodoxie bleiben, bei eurer vorherigen Identität und diese durch die Nacht der türkischen Herrschaft hindurch verteidigen. Zwei Entscheidungen: Nachgeben oder bei dem logos bleiben. Das ist die Entscheidung des Volkes. Und zwei Völker, Bosnier und Serbien, erschienen danach. Die Unterscheidung beruht also auf dem Gewicht des einen logos.  Ich spreche davon, wie wir uns zur selben Melodie bewegen, aber von einem Moment auf den anderen wir uns als Volk teilen können. Ukrainer, Russen, Weißrussen und Angelsachsen. Es gibt also viele interessante Punkte bei der Aufspaltung in dieser Melodie, die zur Schaffung eines neuen Daseins, eines neuen Volkes führen. Und all das steht in Verbindung zur Noomachie als einem Kampf zwischen den drei logoi. Wir können also die Geschichte jedes Volkes und die Existenzhorizonte jedes Volkes als eine Art Element erklären, das durch die Hilfe der drei logoi ausgedrückt wird. Wir könnten uns die drei logoi auch als drei Samenkörner vorstellen, welche in das Existenzfeld gepflanzt werden und wachsen. Und ein paar von ihnen überdauern, einer im Schatten, einer gewinnt und der andere scheitert. Dieser existenzielle Boden könnte existieren und verschiedene Fürchte wachsen lassen, aber die Samen sind in diesem Existenzhorizont immer gegenwärtig. Und die Dynamik ihres Wachstums, die Kombinationen und Konflikte sind immer unterschiedlich und passen immer nur zu einem Volk mit nur einer Geschichte. Das ist also die Volksgeschichte (народа история) als eine besondere Sache, die man von außen weder erklären noch verstehen kann. Die Noomachie ist nichts Künstliches. Er ist unsere Identität. Dies ist der zweite bedeutende Aspekt der Geosophie.

Die letzte Sache die ich hier abschließend erklären möchte ist, dass wir in einem sehr interessanten Spannungsverhältnis leben, wenn wir viele Welten, viele Kulturen und viele Identitäten vor uns haben, die sich in verschiedene Richtungen, mit verschiedenen Ergebnissen entwickeln. Ich repräsentiere das russische Dasein. Ich habe nur eine Sichtweise – die russische Sichtweise, weil ich zu diesem Existenzhorizont gehöre. Ich lebe in dem Moment meiner russischen Melodie, wie wir sie als existenzielles Sein verstehen. Und ich könnte zum Beispiel das, was außerhalb Russlands vorgeht nur mit meinen Augen beurteilen. Genauso verhält es sich mit den Serben – ihr könnt euch nicht vorstellen Albaner zu sein. Wir haben das versucht mit den Osseten in einer ethno-soziologischen Schulung nachzustellen. Wir haben gesagt „Stellt euch vor ihr seid der Feind, ihr seid der Andere. Lasst uns vorstellen, dass ihr Georgier seid!“. Sie konnten das selbst im Rahmen dieses Rollenspiels nicht akzeptieren. Da gab es keine Georgier, jeder wollte Ossete spielen. Das ist der ethnozentrische Aspekt, der im Geist des Suchenden verankert ist. Zum Beispiel ist es logisch anzunehmen, dass die gesamte Noomachie eine russische Sicht von allem darstellt und den russischen Ethnozentrismus reflektiert Wie können wir also in dieser Situation das Problem lösen, dass wir von unserem je eigenen Dasein prädisponiert werden und wie können wir mit einem anderen Dasein umgehen, dass ein Teil dieses Dasein ist? Das ist eine sehr schwierige methodologische Frage, aber ohne sie zu beantworten, können wir nicht zur Geosophie kommen. Das wird nur eine theoretische Halluzination über die Pluralität sein. Wenn wir auf eine reine Universalität bestehen würden und wenn wir versuchten jeden Ethnozentrismus zu überwinden, kommen wir zu gar nichts. Dann besäßen wir keine Position. Es gibt keinen so beschaffenen Existenzraum oder eine solche Melodie, die die Erde für die ganze Menschheit oder eine Universalgeschichte sein könnte. Das wäre dasselbe wie in Trubetzkoys Beispiel. Das wären dann eintausend Seiten über unsere Zivilisationsgeschichte und zwei Seiten über alles andere. Das wäre absolut ethnozentrisch und daher falsch. Wenn wir vortäuschten dieses System ohne Ethnozentrismus und universal zu erschaffen, dann wäre das unser Ethnozentrismus in einer pervertierten, titanischen und gigantischen Version.

Die Art auf die ich das Problem löse anerkennt das Recht auf Ethnozentrismus. Wir könnten ohne Ethnozentrismus existieren aber indem wir dies leugneten, würden wir nur noch ethnozentrischer. Das ist beispielsweise darin, dass der Globalismus und der Liberalismus viel rassistischer als der Nationalsozialismus sind, weil sie proklamieren, dass es ein Schicksal und ein Los für jeden gibt. Die Deutschen waren rassistisch, weil sie versucht haben ihr Deutschsein einer mehr oder weniger großen Menge von Leuten aufzuzwingen. Die Leute waren dagegen. Sie haben dagegen gekämpft. Wir haben dagegen angekämpft und wir haben gewonnen. Und das war noch mehr oder weniger begrenzt. Die Globalisten versuchen in einem globalen Maßstab ihre Identität allen anderen aufzuzwingen und jeden ohne Unterschied in einen Globalisten zu verwandeln. Indem sie versuchten den Rassismus unter dem Vorwand des Antifaschismus zu überwinden, wurden sie zu echten Faschisten, ernsthaften Faschisten, Hyperfaschisten, weil sie auf eine sehr rassistische Art und Weise versuchen ihr Verständnis davon was menschlich, was gut, was Fortschritt, was Zeit, was Technologie und so weiter ist aufzuzwingen. Daher können wir nicht vortäuschen Universalisten zu sein. Aber wir können auch nicht ethnozentrisch bleiben, da dies dann keine Noomachie wäre, sondern nur eine Geschichte des russischen Daseins oder des serbischen Daseins. Die Idee dieses Problem zu lösen, liegt darin, die natürlichen Grenzen des Existenzraumes und die positive Wertschätzung des Daseins und das der Anderen anzuerkennen. Das bedeutet nicht, dass wir unser Dasein gegen das Dasein des anderen austauschen sollen. Aber die positive Wertschätzung erkennt das Recht des Anderen an, ganz anders zu sein ohne seine Andersheit in eine Hierarchie einzuordnen. Unterschiedlichkeit kann manchmal Konflikte provozieren, aber wenn es keine Konflikte gäbe, dann wäre das nicht das Schicksal der Unterschiedlichkeit. Daher sollten wir die Unterschiede nicht auf die sogenannte universalistische Art eliminieren, wir sollten aber auch nicht wildwuchern, indem wir unsere eigene ethnozentrische Identität anderen aufzuzwingen. Und das ist sehr interessant. Ich spreche über Grenzen, die nicht ein für allemal gezogen werden sollten, die sich ändern können, weil sich das Volk entwickeln und sich seine Identität wandeln kann. Das sind dynamische Entitäten. Sie sind auf in jeder Hinsicht offen, auf eine positive und negative Art, in Konflikten, im Krieg und im Frieden (z.B. in Krieg und Frieden von Tolstoi). Es gibt immer Möglichkeiten. Krieg und Frieden wechseln sich ab. Und in dieser sich wandelnden Situation kann sich auch die Identität wandeln. Wir sind nicht dazu verpflichtet im selben Moment der Noomachie zu bleiben. Dieser hängt von so vielen Faktoren ab, dass es immer eine offene Frage bleibt.

Wenn wir von einer Art Konzert dieser ethnozentrischen Gruppen ausgehen, wenn wir vom Recht auf einen begrenzten Ethnozentrismus ausgehen, der diese aber nicht übertreten darf, weder in einer universalistischen noch einer chauvinistisch-xenophoben Art und Weise, wenn wir uns an unsere eigene Identität klammern, sie manchmal verteidigen, sie durchsetzen wenn möglich , aber gleichzeitig das innere Recht des Anderen auf Verschiedenheit anerkennen, eliminieren wir weder den Ethnozentrismus, noch überwinden wir ihn oder glorifizieren ihn exzessiv. Und das sind apollinische Methoden, wie sie Friedrich Jünger, der Bruder von Ernst Jünger, in seinem berühmten Buch über die griechischen Götter beschrieben hat, denn „Die Essenz des Titanismus, dieses kybelischen logos, ist es, kein Maß zu kennen.“ Wenn wir innerhalb unserer Grenzen bleiben, können wir sie nicht übertreten, wir sind darin in unserem Zentrum der Welt. Wenn wir nicht das Zentrum der Welt sind, sind wir nicht das Dasein. Wenn wir das Zentrum unserer Identität, unseres heiligen Territoriums, unserer Tradition, unserer Symbole sind, ohne Kirchen und heiligen Plätze zu besitzen, dann sind wir kein Volk. Wir sollten das Zentrum der Welt sein, aber wir sollten auch das Recht der Anderen anerkennen das Zentrum der Welt zu sein, in ihren Augen, in ihrer Welt, in ihren Grenzen. Und die Grenzen müssen nicht gerecht sein, sie sind immer ungerecht, weil wir lebendige Wesen sind. Wir sollten mit unseren Grenzen leben, weil die Grenzen auf eine gewisse Art und Weise unsere Körper sind, unsere Haut. Wir leben darin. Sie sollten etwas reinlassen, etwas rauslassen, genauso wie die Haut. Sie sollten unterschiedlich sein. Aber sie sollten existieren. Sie sollten auf eine klare, logische und metaphysische Weise anerkannt werden, als die Grenzen zwischen einem Horizont und dem anderen, ohne vorzutäuschen ein gemeinsamer Maßstab zu sein.

Wir könnten das selbstreflektierten Ethnozentrismus nennen. Darin liegt die einzige Möglichkeit eine ausgeglichene Geosophie und Welt aufbauend auf der Multipolarität zu schaffen, da wir andernfalls in einen vollständigen Humanismus ohne Essenz abdriften, ohne Natur, ohne Inhalt. Das wird sich am Ende des Tages als reiner Rassismus herausstellen, da die andere Seite des reinen Rassismus der reine Humanismus ist, weil in dem Moment, wo Sie nicht mit den Werten des liberalen Humanismus übereinstimmen, Sie kein Mensch mehr sind und schlussendlich zerstört werden sollten, so wie es mit den Muslimen oder mit den Slawen in der angelsächsischen Variante des Humanismus der Fall ist.

Wir könnten ihn also auch den maßvollen Ethnozentrismus nennen, einen selbstreflektierten Ethnozentrismus, der die Würde jeder existierenden Entität anerkannt, aber auch das selbe Recht denjenigen zuschreibt, die wir mögen und die wir nicht so gerne mögen. Als ich zum Beispiel diesem Pfad beim Verfassen der Noomachie folgte, habe ich ein Buch über Nordamerika verfasst, genauer gesagt den nordamerikanischen logos. Sie können sich meine Beziehung zur nordamerikanischen Kultur vorstellen. Ich hasse sie schlicht und ergreifend. Als ich mich aber mit dem nordamerikanischen logos beschäftigt habe, begann ich zu entdecken, was das für eine Herausforderung für mich ist. Wenn ich eine russische Version der Kritik am amerikanischen Imperialismus und so weiter schreiben würde, dann wäre das nur eine Karikatur. Das wäre nicht der amerikanische logos. Und indem ich die Abgründe des amerikanischen logos ergründete, habe ich ganz andere Sachen entdeckt. Ich begann sie zu verstehen. Ich stimme ihnen nicht zu, aber jetzt verstehe ich sie. Ich verstehe was sie tun, weil alles in den Zusammenhang passt. Und sie sind erstaunlich konsequent in ihrer Haltung, in ihrem Titanismus, in ihrer Schöpfung einer künstlichen, post-traditionellen Zivilisation. Sie tun, was sie in ihrer Logik tun sollten. Sie erschaffen eine Art amerikanische Gesellschaft im globalen Maßstab, weil sie von Anfang an auf dem Universalismus aufbauten. Ich stimme damit nicht überein, aber es ist ziemlich logisch, wenn wir uns vor Augen führen, dass es eine amerikanische Welt gibt und einen logos dieser amerikanischen Welt. Und ich habe in ihr eine pragmatische Philosophie ausgemacht, eine sehr besondere Philosophie, die sich gänzlich von der europäischen Philosophie unterscheidet. Sie ist nicht gut, nicht schlecht, sondern rein amerikanisch. Diese ausgesprochen interessante Philosophie gründet auf der Inexistenz von Objekt und Subjekt. Für mich war das eine große Herausforderung. Danach konnte ich aber Noomachiebände über jedes Volk schreiben, nachdem ich diese Herausforderung überwunden hatte. Zum Beispiel habe ich nach dieser Prüfung die Logik der Kroaten und Polen studiert und mit großen Erstaunen festgestellt, dass die slawophile Strömung und Tradition nicht mit den Russen, sondern mit den Kroaten begonnen hatte.

Es gibt also viele Dinge, die wir entdecken könnten, wenn wir unseren Ethnozentrismus überwinden und gleichzeitig den totalen Universalismus zerstören, der uns von den Globalisten aufgezwungen wird. Das ist der neue Weg. Er besteht nicht in der Rehabilitierung des Nationalismus. Es möchte nicht die Rückkehr der Nationalstaaten. Es ist eine neue Art des Denkens, der neu für die Russen und neu für mich selbst ist. Und ich denke, dass wenn wir lernen ihn methodisch anzuwenden, wir viele Details in der Politik, der Kultur, der Wissenschaften und in jedem Sinn entdecken könnten. Das ist alles für heute. Wir haben heute die beiden wichtigsten methodologischen Aspekte der Noologie als philosophische Disziplin behandelt. Wir haben über die drei logoi und die Geosophie mitsamt ihren wichtigsten Begriffen und Konzepten in den zwei einführenden Vorlesungen gesprochen. Und ich lade Sie dazu ein den nächsten acht Einheiten zu folgen, weil wir in den kommenden acht Vorlesungen, das worüber wir heute gesprochen haben in konkreten Fällen anwenden werden, als Beispiel dafür, dass sie funktioniert, weil sie wie ein Werkzeug funktioniert. Das ist alles für heute.

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