ALEXANDER NEWSKIJ – RUSSLANDS ARMINIUS. SEIN ERBE UND SEINE BEDEUTUNG FÜR DIE MULTIPOLARE WELT.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Freunde des Suworow Instituts!

Mein Name ist Alexander Markovics, ich bin der Generalsekretär des Suworow Institus und ich darf sie heute herzlich zum Filmabend des Suworow Instituts zu Sergej Eisensteins “Alexander Newskij” begrüßen. Bevor wir mit dem heutigen Vortrag des Abends von meinem lieben Freund Thomas Teufel fortfahren, lassen Sie mich noch ein paar Worte zum historischen Hintergrund des Films verlieren:

Alexander Newskij – Russlands Arminius

Wenn man die Frage nach dem wichtigsten Mann der russischen Geschichte stellt, fallen unter Historikern wie Russen viele Namen: Manche wollen ihn in Iwan Grozny erkennen, manche in Peter dem Großen, wieder andere nennen gar Lenin oder Stalin. Folgen wir aber den Ergebnissen einer Umfrage die vor 15 Jahren im Auftrag des russischen Fernsehens durchgeführt wurde, dann ist es Alexander Newskij. Doch wer war eigentlich Alexander Newskij und viel wichtiger: Welche Zeit hat ihn hervorgebracht und worin liegt die Bedeutung seines Erbes für die Zukunft?

Mitte des 13. Jahrhunderts war die Rus, das alte Russland, nur noch eine leere Hülle ihrer selbst. Insbesondere die Angriffe der Mongolen setzten dem im 12. Jahrhundert in viele Fürstentümer zerbrochenen Land stark zu. Von den Verwüstungen ständiger Überfälle, dem sogenannten “Kleinen Krieg”, nicht betroffen war jedoch die eigentliche Hauptstadt der Rus, Novgorod. Im Jahr 860 von Fürst Rurik gegründet blieb die Stadt als Handelsknotenpunkt auch dann noch einflussreich, als Ruriks Nachfolger Oleg die Hauptstadt nach Kiew verlegen ließ. Ab 1136 wurden die Stadt und das zu ihr gehörende Fürstentum zu einer Republik, die aus der Revolte der Händler gegen den Prinzen von Pskow entstand. Zwar hatte Nowgorod auch nach diesem Aufstand noch einen Prinzen, doch wurde dieser fortan nun von einer Versammlung, bestehend aus Händler, Adeligen und Geistlichen, gewählt und konnte abgesetzt werden. Dieser Ort wurde zur Heimat von Alexander Newskij, der für viele den Retter der russischen Kultur und des russisch-orthodoxen Glaubens darstellt. 1220 als Spross der Vselvolodovichdynastie geboren, herrschte der junge Alexander zuerst in Pereslavl und dann in Vladimir. In seiner Jugend lernte er das Kämpfen und Führen von Männern, beides Qualitäten die man als erfolgreicher Feldherr benötigt. 1236 wird er dann von seinem Vater nach Novgorod gebracht, wo ihn der Rat zum Prinzen wählt. Mit gerade einmal 16 Jahren erhält er die Verantwortung für die militärischen Angelegenheiten der Stadt, die sich gerade in einer schweren Krise befindet. Während sie im Osten von den Mongolen unter Batu Khan bedroht wird, ist die Lage im Westen mindestens genauso bedrohlich. Denn seit dem 12. Jahrhundert hatten sich verschiedene lateinische Mächte in Nordeuropa breitgemacht, da in der Mitte der 1100 Jahre die Skandinavier zum Christentum konvertiert waren. Also expandierten die ehemaligen Wikinger der Schweden nach Finnland, um dort die finnischen Stämme zu missionieren. Dabei steuerten sie aber Kollisionskurs mit Novgorod, das seinerseits selbst Ansprüche auf Karelien vertrat.

1240 war es dann soweit: Die schwedische Armee greift Novgorod an. Doch die westlichen Invasoren werden unter Alexander Newskij in der Schlacht an der Neva vernichtend geschlagen. Zwar ist es unklar ob es sich dabei um eine richtige Schlacht oder nur ein Grenzscharmützel gehandelt hat, jedoch erhält Prinz Alexander deswegen seinen sobriquet/Beinamen Newskij. Paradoxerweise waren nicht alle Einwohner Nowgorods über seinen Sieg glücklich: Insbesondere die Boyaren und die Händler hatte er sich damit zu Feinden gemacht, da sie dachten, dass seine Feldzüge gegen den Westen ihre Handelsbeziehungen mit dem Westen gefährden würden. Wir können also an diesem Punkt einen Konflikt zwischen dem dritten Stand der Bürger und Händler auf der einen-, denen es nur um den eigenen wirtschaftlichen Vorteil ging, sowie den Helden und Kriegern sowie Priestern auf der anderen Seite erkennen, denen die Bewahrung von Russlands Orthodoxie und eigener Unabhängigkeit am Herzen lag.

Im Westen dämmerte jedoch eine neue Bedrohung herauf, die die Lage innerhalb Russlands grundlegend verändern sollte: 1228 wurde die ganze baltische Küste von deutschen Katholiken, dem Deutschritterorden unterworfen, bis auf die estnische Küste, die wiederum dänisch wurde. Hier entstand die sogenannte Terra Mariana, das Land der Jungfrau Maria. Dieses war nun zu einer instabilen Grenzregion geworden, quasi eine Frontier, die von lateinischen Bischöfen regiert wurde, die wiederum ihrerseits direkt Rom unterstellt waren. Das Land selbst wurde jedoch noch immer von Balten bewohnt, die zum ihrerseits zum Widerstand gegen ihre katholischen Herren aufriefen. Während der Deutsche Ritterorden gegen die damals noch heidnischen Preußen wütete, zogen die sogenannten livonischen Schwertbrüder gegen die Balten zu Felde. Doch letztere wurden von den Balten unter Ausnutzung des unwegsamen Geländes, ähnlich wie bei der Schlacht im Teutoburger Wald, besiegt woraufhin sich der stark dezimierte Schwertbrüderorden den Deutschrittern anschloss.

Abermals bestand nun also eine direkte Grenze zwischen der Westkirche/den Katholiken und den Orthodoxen im Norden, ein Umstand mit dem der Rat von Novgorod zunächst nicht umzugehen wusste. Viele slawische Händler heirateten skandinavische und germanische Frauen, aufs Neue blühten die Handelsbeziehungen und der Materialismus zwischen West- und Ost. Newskij der streitbare Krieger lebte in der Verbannung, doch als die Stadt Tartu vom Ritterorden erobert wurde, begann es auch den Novgoroder Händlern zu dämmern, dass dieser Friede nicht von Dauer sein konnte, da sie selbst die Oberherrschaft über die Stadt beanspruchten. Als die Kreuzritter die Eliten Novgorods davon überzeugen wollten zum Katholizismus zu konvertieren, fiel auch bei den letzten Russen der Groschen. Diese Entwicklung wurde schließlich 1240 finalisiert, als Papst Gregor IX. zum Kreuzzug gegen Novgorod aufrief. Daraufhin errichteten die Kreuzritter eine Steinburg bei Koporye was als Zeichen für ihre Eroberungsabsicht des Landes galt. Die Weche war nun im Panikmodus, der Konflikt mit dem Fürsten Alexander Newskij musste zur Rettung des Vaterlandes beigelegt werden – er gehorchte ihrem Befehl und eilte nach Novgorod. Doch da hatten die Kreuzritter bereits die Schwesterstadt und den Brotkorb Novgorods, Pskov, erobert. Doch 1241 setzte Newskji zum Gegenschlag und damit zur Eroberung der Steinburg bei Koporye an und war erfolgreich. Im Jahr darauf 1242 vereinigte er sich mit den Truppen seines Bruders Andrei und eroberte Pskow ohne Probleme, da der Ritterorden mit den Mongolen in Ungarn beschäftigt war.

Danach marschierten die um eine Bürgermiliz verstärkten Novgoroder Truppen im Baltikum ein, was sich als Fehler erwies. Deutsche und Esten lockten die Truppen in einen Hinterhalt und schafften es dort eine Abteilung der Russen zu vernichten. Dies führte zu einem Rückzug Newskijs aus dem Baltikum.

Bereits im April 1242 fiel eine zweite Invasionsstreitmacht Richtung Russland ein, diesmal unter der Führung Hermann von Dorpats. Auf dem zugefrorenen Peipussee trafen 5.000 Mann aus Novgorod auf 2.600 Kreuzritter. Doch obwohl die Russen zahlreicher waren, waren sie dem Feind an Material unterlegen. Newskij fehlte die schwere Kavallerie, über die die Kreuzritter verfügten. Doch gegen alle Widerstände hielten die mit türkischen Pferdebogenschützen verbündeten Russen die Stellung. Auch in diesem Bündnis können wir eine Vorwegnahme der eurasischen Idee erkennen.

Seitdem gilt die Schlacht am Peipussee als Wasserscheide in den Beziehungen zwischen Russland und dem katholischen Europa. Die Narva und der Peipussee wurden zur permanenten Grenze zwischen Novgorod und dem Westen. Für die Russen selbst ist die Schlacht ähnlich national aufgeladen wie für die Deutschen die Schlacht im Teutoburger Wald.

Alexander Newskij gilt seitdem als Heiliger, der das orthodoxe Christentum rettete. Der Gefahr im Osten entledigte er sich auf kreative Weise: Novgorod kapitulierte unter ihm freiwillig gegenüber den Mongolen und wurde daher nicht zerstört. Denn Newskij wusste, dass die Mongolen sanft über jene herrschen, die ihnen gehorchten. Im Unterschied zu Schweden und Deutschen hatten sie kein Interesse daran die Religion ihrer Vasallen zu ändern. Die Kreuzritter hingegen wollten die Orthodoxie und damit Russland ausrotten.

Die Ereignisse hatten gravierenden Einfluss auf die weitere Geschichte Russlands: Die eurasische Symbiose zwischen Russen und Mongolen führte zum Aufstieg Nowgorods. 1246 wurde Newskij der – damals nur noch symbolische Titel – Großprinz von Kiew verliehen. Im Jahr 1259 rebellierte das Nowgoroder Bürgertum, das schließlich von Newskij endlich zur Räson gebracht wurde. Alexander Newskij kann also ohne Umschweife als Retter der russischen Kultur und einer der Begründer jener eurasischen Symbiose betrachtet werden, die Russland/Eurasien zu einer einzigartigen Zivilisation zwischen Asien und Europa machte.

Alexander Newskij – die Bedeutung eines russischen Heldens für Russland-Eurasien, Europa und die Multipolare Welt

Newskij ist Russlands Arminius, der ihm die Bewahrung seiner Kultur ermöglichte. Er stellt die Verkörperung entschlossenen Heldentums dar, dass im Angesicht einer äußeren Bedrohung nicht klein beigibt, sondern den unausweichlichen Kampf aufnimmt. Er verkörpert das heroische Prinzip, welches im Rahmen der Metaphysik des Krieges begreift, dass der Krieg genauso ein Teil des menschlichen Lebens ist wie der Frieden. Das Blut der Märtyrer düngt die Kirche, eine Friedensordnung kann nur dank der Opfer des Krieges existieren. Ein selbstmörderischer Pazifismus hingegen, wie ihn viele liberale Russen in der Gegenwart pflegen, ist nach dem russischen Philosophen Vladimir Varava nichts anderes als ein Ergebnis der in den 1990er Jahren begonnen Amerikanisierung der Russen und als Teil des Liberalismus Bestandteil einer Kultur der Euthanasie. Uns Europäern hingegen kann Newskij als warnendes Beispiel dafür dienen, dass wir uns auf uns selbst beschränken und dem wahnsinnigen westlichen Universalismus abschwören müssen, der damals zur Schlacht am Peipussee, im Zweiten Weltkrieg zum Angriff auf die UdSSR und heute zum westlichen Krieg gegen Russland in der Ukraine geführt hat.

Dies setzt aber vor allem voraus, dass wir wieder die Dominanz des geistigen Prinzips über das Materielle anerkennen, uns wieder Gott zuwenden und dem Materialismus sowie der Postmoderne abschwören, was ohne eine umfassende Entwestlichung und Entamerikanisierung unseres Kontinents nicht möglich ist. Damals wie heute führten die Verachtung Russlands als Vertreter der Zivilisation des Landes im Großen Krieg der Kontinente zum Übergriff des Westens auf den Osten. Und genauso wie damals ist Russland kein Feind eines Europas gewesen, welches sich als konservative Landmacht begreift, sondern sein natürlicher Verbündeter. Der gemeinsame Glaube an Christus und die Ewigkeit kann zur Basis einer neuen Heiligen Allianz werden, die die Hybris des Westens hinwegfegen und Europäer wie Russen im Großen Krieg der Kontinente in einer Abwehrfront gegen die Bedrohung durch die Meeresmacht des transatlantischen, postmodernen Westens vereinen kann. Auch die muslimischen Völker wie Türken, Pakistaner und Iraner, aber auch das konfuzianische China, das katholische Lateinamerika, die verschiedenen Völker Afrikas, Arabiens und das hinduistische Indien können im Rahmen der Multipolaren Welt an einer zukünftigen eurasischen Friedensordnung mitbauen bzw. tun dies bereits. Um mit dem großen russischen Philosophen Alexander Dugin zu sprechen, geht es heute um das verteilte Herzland, die Tatsache, dass Eurasien nicht nur von einer, sondern von vielen Zivilisationen vertreten wird, und seine Mobilisierung für die Verteidigung der Zivilisation des Landes. Die Behauptung unserer traditionellen Werte, die Bewahrung unserer Völker und die Verteidigung unserer Religionen sollten uns als Vertreter der Vierten Politischen Theorie und des Neoeurasismus immer die Notwendigkeit vor Augen halten gegen den westlichen Universalismus, den Fortschrittswahn und die aggressive Gleichmacherei des Westens ankämpfen zu müssen, gerade auf einer geistigen Ebene. Was wir dazu heute mehr denn je brauchen sind ein Frieden und ein Bündnis mit Russland, keine wahnsinnigen Taten in der Tradition der Kreuzritter gegenüber unseren christlichen Brüdern im Osten. Auch im Sinne des Aufbaus einer multipolaren Welt ist daher das Andenken an Alexander Newskij zu wahren, der für den Kampf für die Bewahrung der Vielfalt der Zivilisationen und den Widerstand gegen den kulturellen Uniformisierungswahn des Westens steht.

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