Liberalismus 2.0

Liberalismus 2.0

Von Alexander Dugin

Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Markovics

Die neue Wende des Liberalismus

Im gegenwärtigen historischen Moment können wir klar ein sehr wichtiges Phänomen erkennen: eine neue Wende in der liberalen Ideologie. Wie jede andere politische Ideologie verändert sich auch der Liberalismus ständig, aber in einem bestimmten Moment können wir wirklich paradigmatische Verschiebungen feststellen, die uns das Recht dazu geben, zu sagen: Hier endet etwas und etwas Neues beginnt. Das ist der nächste Moment. Er geht oft mit dem Sturz eines bestimmten politischen Regimes einher oder jenem des Gleichgewichtes der Kräfte nach einem ernsthaften Konflikt – im Sinne eines Weltkrieges und so weiter. Aber manchmal geht er unbemerkt auf einer latent unterschwelligen Ebene vorüber. Freilich können wir immer zwischen verschiedenen Symptomen der verursachten Veränderungen unterscheiden, aber ihre Tiefe und die Frage, ob sie den Punkt erreicht haben, an dem es kein Zurück mehr gibt, bleiben weiterhin ungeklärt.

Ich vertrete die Meinung, dass  genau in diesem Moment  wir Zeuge eines solchen dramatischen Wandels innerhalb der politischen Ideologie des Liberalismus werden.

Lassen Sie uns dies den Übergang vom Liberalismus 1.0 zum Liberalismus 2.0 nennen. Wie bei jedem ernsthaften Übergang verlangt dieser nach einem bestimmten “Übergangsritus”. Als solchen interpretiere ich die Situation, in welcher Donald Trumps Präsidentschaft kulminierte, nämlich in seinen Sturz durch die globalistische Elite, verkörpert durch Joe Biden und seiner – abermals! –  neokonservativen Regierung. Dies ist nichts anderes als ein “Übergangsritus” – verkörpert durch Schwulenparaden, BLM-Aufstände, imperialistische LGBT+ Angriffe, den weltweiten Aufstand des wilden Feminismus und der spektakulären Ankunft des Post-Humanismus und der extremen Technokratie. Hinter all dem spielen sich tiefgründige – intellektuelle und philosophische – Prozesse ab, die ich vorschlage zu untersuchen.

Liberale Einsamkeit

Ich möchte im Voraus erklären, dass ich diese Untersuchung vor dem Hintergrund meines strukturellen Zugangs durchführen werde, der auf der Vierten Politischen Theorie aufbaut. Das bedeutet, dass ich die liberale Ideologie (auch Erste Politische Theorie) als die Summe des historischen System des eigentlichen Paradigmas der westlichen Moderne betrachte, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts ihren epischen Kampf gegen ihre Hauptfeinde – die Kommunisten (Zweite Politische Theorie) und die Faschisten (Dritte Politische Theorie) gewonnen hat, die während dieses Zeitraums den Anspruch der Liberalen, am modernsten zu sein, herausgefordert haben und selbst erklärten moderner zu sein, als die Liberalen. Dies wurde ausdrücklich so vom marxistischen Futurismus formuliert, bildete aber ebenso die Grundlage des faschistischen Denkens.

Dieser Sicht zufolge hat der Liberalismus als Ideologie – politisch, ökonomisch, kulturell, sozial und so weiter – im 20. Jahrhundert nicht nur taktisch, sondern strategisch und gewissermaßen irreversibel gewonnen und wurde zur einzigen politischen Ideologie nach den 1990er Jahren. Dies nennt man für gewöhnlich den “unipolaren Moment” (Charles Krauthammer)  und dieser wurde voreilig, wie man heute weiß – von Francis Fukuyama zum “Ende der Geschichte” erhoben. Jenseits all dieser Details und Fragen bezüglich der korrekten Bestimmung dieses Zeitpunktes war der ideologische Sieg des Liberalismus in dieser Periode unbestreitbar. Der chinesische Kommunismus ist keine umfassende Alternative zum liberalen Kapitalismus, weil China seit der Herrschaft von Deng Xiaoping teilweise in die globale politische Ökonomie eingebettet wurde in einem Versuch, diese zum Vorteil der Stärke des Landes zu nützen, wobei es jedoch die wesentlichen liberalen Regelungen und die Prinzipien des Freien Marktes akzeptieren musste. 

Dies war der Wendepunkt, der den alten Liberalismus vom neuen Liberalismus symbolisch trennte, den Liberalismus 1.0 vom Liberalismus 2.0. Dann konnten wir in den 1990er Jahren die Reifung einer tiefgehenden semantischen Mutation der Ersten Politischen Theorie registrieren. Der epische Sieg des Liberalismus im 20. Jahrhundert führte zu zwei wichtigen ideologischen Verschiebungen:

·     Die Ankunft von rot-braunen oder “nationalbolschewistischen” Bündnissen, aufbauend auf einem grundlegenden Verständnis des unwiederbringlichen Verlustes sowohl vom historischen Kommunismus als auch vom Faschismus gegenüber dem Liberalismus und dem Willen zur Schaffung einer gemeinsamen anti-liberalen, linken wie rechten Front (dies blieb jedoch eine politisch marginale Tendenz, unvergleichlich klein im Vergleich zur Ernsthaftigkeit der Gefahr, welche von der liberalen Dominanz als ideologischen Projekt ausgeht.

·     Die Einsamkeit des Liberalismus, welcher seine beiden ideologischen Hauptfeinde (wie Carl Schmitt durch die Betonung der Wichtigkeit der Freund/Feind-Unterscheidung für die eigentliche Definition der politischen und ideologischen Identität lehrt) verloren hat, die ein wichtiges Element der Selbstbestätigung des Liberalismus darstellten.

Insoweit der illiberale Nationalbolschewismus keine ernsthafte politische Bedrohung darstellte, blieb das Problem der Einsamkeit wesentlich.

Nationalbolschewismus als vom Sieg des Liberalismus hervorgerufenes Konzept

Philosophisch gesehen fiel der Nationalbolschewismus mit der Parallelverschiebung des Paradigmas, das gemeinsam mit der Postmoderne eintraf, zusammen. Postmoderne Autoren, die hauptsächlich von der extremen Linken kamen, wurden gegenüber des sowjetischen und zum Teil auch gegenüber des Kommunismus chinesischer Provenienz sehr kritisch und übernahmen daher die Strategie eines ideologischen Bündnisses – das immer mehr und mehr “anti-faschistisch” sowie anti-nationalbolschewistisch wurde – mit den Linksliberalen. Die Postmoderne ist also als eine Art gemeinsame Grundlage für Ex-Kommunisten etabliert worden, um immer mehr und mehr liberal zu werden (individualistisch, hedonistisch usw.) und für die Linksliberalen, um die avantgardistische Epistemologie der radikalen Denker zu übernehmen, die extreme Theorien und Praktiken der Befreiung propagieren – von Regeln, Normen, stabilen Identitäten, Hierarchien, Grenzen usw. Genau hier hat der Liberalismus 2.0 seine Wurzeln. Aber um explizit eine Form in der neuen Version der liberalen politischen Ideologie anzunehmen, hat es mehr als 30 Jahre eines dramatischen, politischen Lebens gebraucht. Das Phänomen Trump war die letzte und entscheidendste Phase, welche die gesamte Struktur des Liberalismus 2.0 so veranlasste hervorzutreten, wie sie es tat.

Die wesentliche Eigenschaft des Liberalismus 2.0 ist seine Anerkennung als innerer Feind, als Fünfte Kolonne innerhalb des Liberalismus an sich. Angesichts der Abwesenheit von gut dargestellten ideologischen Feinden – Kommunisten und Faschisten – waren die einsamen Liberalen dazu gezwungen, die Darstellung, ihrer weltweit gewordenen Dominanz an sich, zu überdenken. Ideologisch gesehen schien die schwache rot-braune Tendenz wichtiger zu sein, als man von ihrer Erscheinung aus als Bewegung mit insignifikantem Einfluss vermuten könnte. 

Wenn wir aber den Nationalbolschewismus in einem größeren Zusammenhang betrachten, verändert sich das Gesamtbild drastisch. Das Wiederaufkommen von Putins Russland kann als eine neue Mischung der sowjetartigen Strategie von anti-westlicher Politik und traditionellem russischen Nationalismus evaluiert werden. Andererseits bleibt das Phänomen Putin rätselhaft. Er kann approximativ mit “Nationalbolschewismus” gleichgesetzt werden, was den ideologischen Hauptrahmen der unipolar-liberalen Ära bekräftigte. Dieselbe Approximation könnte verwendet werden, um die chinesische Phänomen zu interpretieren. Andererseits wäre es schwierig oder einfach unmöglich, die Politik Chinas und insbesondere die Linie von Xi Jinping zu erklären. Hier sehen wir abermals den besonderen chinesischen Kommunismus, vermischt mit einem zunehmend wahrnehmbaren chinesischen Nationalismus. Dasselbe kann über das Anwachsen des europäischen Populismus gesagt werden, wo die Entfernung zwischen dem linken Flügel und dem rechten Flügel zunehmend verschwindet bis zu dem Punkt der symbolischen Erschaffung des gelb-grünen Bündnisses in der italienischen Regierung; aufbauend auf dem Übereinkommen zwischen der Lega Nord (rechtspopulistisch) und den 5 Sternen (linkspopulistisch). Eine analoge Konvergenz war in der populistischen Revolte der Gelbwesten gegen Macron in Frankreich präfiguriert, im Rahmen derer die Anhänger von Marine Le Pen gemeinsam mit den Unterstützern von Jean-Luc Mélenchon gegen das liberale Zentrum kämpften.

Folglich waren in der unipolaren Weltordnung Liberale gewissermaßen dazu verpflichtet, die Bedrohung des Nationalbolschewismus als etwas Ernsthaftes zu akzeptieren – im erweiterten Sinne des Begriffs. Und daher begannen sie den Kampf gegen eine solche Konvergenz, indem sie ihre Strukturen und Anzeichen unterminierten, wo auch immer sie auftauchten. Um aber nicht bei der Propagierung einer selbst aufgezwungenen, effektiven Alternative zur liberal-globalistischen Herrschaft zu helfen, untergruben die globalen Eliten die Wichtigkeit dieses Phänomens an der Oberfläche, während sie in Wirklichkeit dagegen mit allen Mitteln angekämpft haben. Wenn Putin, Xi Jinping, die europäischen Populisten und die anti-westlichen Bewegungen im Islam (die auch hier weder zu kommunistisch noch nationalistisch sind) aber auch die anti-kapitalistischen Strömungen in Lateinamerika und Afrika sich bewusst wären, dass sie dem Liberalismus von einer gewissermaßen geeinten ideologischen Position entgegentreten und linken/rechten und integralen Populismus als ihre ausdrückliche Grundlage annehmen würden, dann hätte dies ihren Widerstand beträchtlich verstärkt und sein Potenzial vervielfacht. Um also dies nicht geschehen zu lassen, haben die Liberalen nichts unversucht gelassen, nicht zuletzt den Einsatz ihrer fünften und sechsten Kolonne (Liberale die gut in die Regierungsstrukturen eingebunden und gegenüber den souveränen Staatenführern in den jeweiligen Regimen loyal sind), um jede ideologische Bewegung in diese Richtung zu verhindern.

Der innere Feind

Aber es waren genau ihre Erfolge in der Einhegung des potenziellen Erscheinens einer nationalbolschewistischen – illiberalen – Ideologie mit dem Status eines  formalen  Feindes, welche die Liberalen immer einsamer und einsamer machten. Sie ließen den formalen Feind nicht erscheinen, aber der Preis dafür war der Reifeprozess eines Feindes im Inneren. Das ist der kritische Punkt bei der Geburt des Liberalismus 2.0.

Eine politische Ideologie kann nicht existieren, wenn das Paar Freund/Feind ausgelöscht wird. Sie verliert ihre Identität und kann in Zukunft nicht mehr effektiv sein. Keinen Feind zu haben, bedeutet ideologischen Selbstmord zu begehen. Ein unklarer und undefinierter äußerer Feind war also nicht genug, um den Liberalismus zu rechtfertigen. Durch die ganze Dämonisierung von Putins Russland und Xi Jinpings China konnten die Liberalen nicht mehr vollkommen überzeugen. Mehr noch als das: Die Annahme der Existenz eines formalen, strukturierten ideologischen Feindes außerhalb der liberalen Einflusszone (Demokratie, Marktwirtschaft, Menschenrechte, universale Technologie, totales Netzwerk, usw.) nach dem Anbruch des unipolaren Moments vermutlich auf einer globalen Ebene, wäre der Anerkennung eines schwerwiegenden Fehlers gleichgekommen. Logischerweise musste also ein innerer Feind erscheinen. Das war eine theoretische Notwendigkeit in der Entwicklung der ideologischen Prozesse im Laufe der 1990er Jahre. Dieser innere Feind erschien gerade rechtzeitig, genau in dem Moment als er am dringendsten gebraucht wurde. Und er hatte einen Namen: Donald Trump.

Vom eigentlichen Moment seiner Erscheinung in den amerikanischen Wahlen von 2016 an abgestempelt, begann Donald Trump eine sehr wichtige Rolle zu spielen – nämlich die des Feindes.

Er verkörperte die Grenze zwischen dem Liberalismus 1.0 und dem Liberalismus 2.0. Dabei wurde er zur Hebamme des Liberalismus 2.0 und half ihm dabei, zur Welt zu kommen. Anfänglich bestand der schwache Einfall, eine Verbindung zwischen Trump und dem rot-braunen Putin herzustellen. Dies beschädigte Trumps Präsidentschaft ernsthaft, aber war ideologisch inkonsistent. Nicht nur aufgrund des Nichtvorhandenseins von echten Beziehungen zwischen Trump und Putin sowie Trumps ideologischem Opportunismus, sondern auch weil Putin selbst, welcher wie ein “Nationalbolschewist” wirkte, der sich bewusst gegen den globalen Liberalismus stellt, in Wirklichkeit ein sehr pragmatischer Realist ist. Ähnlich wie Trump ist er ein Umfragen-Populist und genauso wie Trump ist er am ehesten ein Opportunist ohne Interesse an einer Weltanschauung. 

Das Alternativszenario in dem Trump als “Faschist” dargestellt wurde, ist genauso lächerlich. Da es von seinen politischen Rivalen zu oft bemüht wurde, hat es Trump zwar Schwierigkeiten bereitet, war aber total inkonsistent. Weder Trump selbst noch sein Stab bestand aus “Faschisten” oder Vertretern irgendeiner rechtsextremen Richtung, die bereits vor langer Zeit in der amerikanischen Gesellschaft marginalisiert worden war und nur als eine Art äußerster libertärer Rand oder Kitschkultur existiert.

Wenn man sich also mit Trump auf einer ideologischen Ebene beschäftigt (und nicht nur auf jener der Propaganda, wo alle Methoden akzeptiert werden, wenn sie nur funktionieren) waren die Liberalen dazu verpflichtet, seine Position anders zu definieren. Und hier nähern wir uns dem wichtigsten Punkt unserer Untersuchung an. Trump ist und war ein Vertreter des Liberalismus 1.0. Bei diesem fand man heraus, dass es sich um den – dieses Mal wirklichen inneren – Hauptfeind des  neuen Liberalismus handelt. Wenn wir alle ausländischen Regime beiseite schieben, die sich der liberalen Ideologie in ihrer politischen Praxis widersetzen, die kein ernsthaftes Problem darstellen, doch stattdessen gewöhnliche, unartikulierte Hindernisse auf dem Weg zum unausweichlichen Triumph des liberalen Fortschritts sind, bleibt nur ein wirklich wahrer Feind des Liberalismus übrig – der Liberalismus selbst. Um weiter voranschreiten zu können, musste der Liberalismus eine innere Säuberung durchführen.

Hier taucht eine innere, deutlich zu sehende und definierte Spaltung auf. Dieser neue Liberalismus, gegründet auf der zunehmenden Annäherung an den linken Postmodernismus, hat aufgehört, sich im alten Liberalismus zu erkennen. Und genau dieser alte Liberalismus wurde mit der symbolischen Figur des Donald Trump identifiziert. Dieser wurde dazu verurteilt, das Andere zu sein. Dies erklärt alles am ideologischen Einsatz in Bidens Wahlkampf – die “Rückkehr zur Normalität”, “besser zurückbauen” und so weiter. Bei der fraglichen “Normalität” geht es um eine neue Normalität – die Normalität des Liberalismus 2.0. Der Liberalismus 1.0 – national, offensichtlich kapitalistisch, pragmatisch, individualistisch und gewissermaßen libertär – wurde folglich zur “Abnormität” erklärt. Die Demokratie als Herrschaft der Mehrheit, vollkommene Meinungs- und Gedankenfreiheit, die offene Möglichkeit, jede Meinung auszudrücken, die man äußern will, jegliche religiöse Entscheidung, das Recht eine Familie zu haben und die Genderbeziehungen auf jeder Grundlage zu organisieren, religiös oder säkular – all das, was vom Liberalismus 1.0 vollumfänglich anerkannt wurde, ist nun inakzeptabel geworden. Daraus folgt: Politische Korrektheit, Cancel Culture, die Praxis, jeden zu erniedrigen, der den Linksliberalismus nicht als etwas Notwendiges, Gerechtfertigtes und Normales betrachtet.

Der Liberalismus 2.0 hat sich also immer mehr und mehr in etwas  Totalitäres verwandelt. Das war nicht so – zumindest nicht explizit – als man gegen viel mehr explizite totalitäre Ideologien gekämpft hat – Kommunismus und Faschismus. Doch als er alleingelassen wurde, brachte der Liberalismus diese unerwartete Eigenschaft hervor. Wenn der Liberalismus 1.0 nicht totalitär war, dann ist der Liberalismus 2.0 totalitär. Von jetzt an hat niemand das Recht nicht nicht-liberal zu sein. Der alte Liberalismus würde eine solche These sofort zurückweisen, weil sie einen klaren und direkten Widerspruch zu den eigentlichen Grundlagen der liberalen Ideologie darstellt, die auf der freien Wahl aufbauen. Das Recht illiberal zu sein, wurde genauso respektiert, wie das Recht liberal zu sein. Aber jetzt nicht. Nicht mehr. Ein Liberalismus ist also zu Ende gegangen, erst vor kurzem als Trump das Weiße Haus verlassen hat. Von nun an herrscht der andere Liberalismus. Hier ist die Freiheit nicht länger frei. Sie ist eine Pflicht. Und die Bedeutung der Freiheit ist nicht willkürlich. Sie ist offenkundig von der neuen herrschenden liberalen Elite (2.0) definiert. Wer auch immer mit ihr nicht übereinstimmt, ist dazu verdammt gestrichen zu werden.

Friedrich von Hayek: der Anfang

Wir können die ideologische Entwicklung des Liberalismus 2.0 zurückverfolgen, in der wir der zeitweise nicht zu stark artikulierten Entwicklung der führenden Ideologen des Liberalismus des 20. Jahrhunderts selbst folgen. Hier haben wir drei Hauptstationen – Friedrich von Hayek, Karl Popper und George Soros. Sie gehören derselben Tradition an – der erste war der direkte Lehrer des ersten und der zweite jener des Dritten. Es mag also so scheinen, als würden sie alle mehr oder weniger dieselben Ansichten haben. Das ist teilweise der Fall, aber teilweise wiederum auch nicht.

Friedrich von Hayek war offensichtlich einer reiner Liberaler. In seinen Werken kritisierte er sowohl den Kommunismus, als auch den Faschismus, indem er ihre Verpflichtung gegenüber “dem Plan” hervorhob. Im Namen dieser Verpflichtung zwangen die kommunistischen und faschistischen Regime ihre gewalttätigen politischen und wirtschaftlichen Praktiken den Gesellschaften auf und pervertierten die natürliche Logik des sozialen und politischen Lebens. Beide machten übermäßigen Gebrauch von der Zukunft und dem Fortschritt als entscheidenden Argumenten für ihr Recht zu herrschen und die politische Struktur zu dominieren, ausgestattet mit der Mission, diese Zukunft um jeden Preis wahr werden zu lassen. Folglich vergewaltigten die Kommunisten und Faschisten die Realität, indem sie diese den selbst proklamierten “Gesetzen des Fortschritts” unterworfen hatten.

Dagegen bekräftigte Friedrich von Hayek den Status quo als Ausgangspunkt. Theoretisch nicht dazu in der Lage, die Zukunft korrekt zu berechnen (da es zu viele relevante Faktoren gibt – immerzu mehr als der menschliche Geist in die Betrachtung miteinbeziehen kann) können wir nur vorsichtig voranschreiten, milde, ohne die existierenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen zu zerstören, aber auch indem man manchmal versucht, sie einfach zu entwickeln oder zu verbessern. Friedrich von Hayek stellte sich “dem Plan” mit dem Konzept der Tradition entgegen, welche in seinen Augen die einzige Grundlage einer organischen Entwicklung darstellt, insofern als dass er die Tradition mit der Summe der rationalen Entscheidungen, die von den vielen vorhergehenden Generationen getroffen wurden, identifiziert, einer großen Konstruktion aus Fehlern und Korrekturen bestehend, dem kein Plan jemals das Wasser reichen könnte. 

Da er sich in totaler Opposition zum Kommunismus und Faschismus befand (und logischerweise auch jeder Mischung zwischen beiden) war Friedrich von Hayek viel näher an Edmund Burke und dem englischen Konservatismus. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass die Ideen Friedrich von Hayeks von einem Teil der französischen Nouvelle Droite (Henry de Lesquen, Yvan Blot, und anderen.) in Verbindung mit einem moderaten französischen Nationalismus übernommen worden sind.

Friedrich von Hayek kann man als ideales Beispiel des Liberalismus 1.0 ansehen. 

Karl Popper: der Mittelpunkt

Friedrich von Hayeks Schüler Karl Popper – der Autor der Theorie von der “Offenen Gesellschaft” und direkte Mentor von George Soros, blieb Hayeks Ideen gegenüber auf den ersten Blick loyal. Er akzeptierte die freie Entwicklung der Gesellschaft, kritisierte “den Plan” als solchen auf das Schärfste und gab Generalisierungen über die gemeinsame Grundlage von zweiter und dritter politischer Theorie heraus, wodurch er unwillentlich bei der Formulierung von nationalbolschewistischen Prinzipien half. Popper identifizierte als Hauptirrtum der politischen Tradition die platonische Annahme von der Existenz eines idealen Staates als der Quelle der Normen und die aristotelische Theorie des telos, der causa finalis – dem Zweck als Hauptgrund für die Rechtfertigung der Mittel, um ihn zu erreichen.

Formal Hayeks Zugang folgend, verschob Popper die wichtigen Betonungen beträchtlich. Zum Titel seines Hauptwerks “Die Offene Gesellschaft” fügte er “und ihre Feinde” hinzu, wodurch er den Dualismus seiner Opposition betonte. Da er jede Art von “liberalen Plan” fürchtete, war Hayek sehr vorsichtig bei der Formulierung jeglicher Art von dualistischem Zugang zur Politik und Ideologie. Hayek zufolge ist der Liberalismus, egal ob er liberal oder ein “Plan”, organisch offen gegenüber allem was existiert. Das ist eine Art stoischer Ethik. 

Mit Popper jedoch können wir das Drehbuch komplett umschreiben. Die “Offene Gesellschaft” ist ein unmissverständlich liberaler Plan. Er ordnet jeden Menschen in eines von zwei Lagern ein – 

·     die Offene Gesellschaft

und

·     die Feinde der Offenen Gesellschaft. 

Noch dazu herrscht ein Krieg zwischen ihnen. Der Ton von Poppers Kritik an Platon und Aristoteles, Hegel und Schelling ist nicht nur komplett intolerant und hysterisch, er steht auch im starken Kontrast zu Hayeks ruhigem Zugang, auch gegenüber seinen Gegenspielern. 

Popper tritt für die radikale Zerstörung der Feinde der Offenen Gesellschaft ein und argumentiert, dass wenn dies nicht passiert, diese, da sie selbst keine inneren Grenzen kennen, wiederum die Offene Gesellschaft zerstören würden. Folglich bestand Poppers Logik darin: Lasst sie uns töten, bevor sie uns töten können! 

Das hört sich bereits ganz anders an. Hier findet die Verschiebung zum Liberalismus 2.0 statt. Popper hasst alles, das dem Nationalismus oder Sozialismus ähnlich sieht. Er lehnt die zweite und dritte politische Theorie nicht nur ab, sondern kriminalisiert sie und ruft zu ihrer totalen Auslöschung auf. 

In seinen Augen gibt es keine Möglichkeit, illiberal zu sein. Jeder Feind der Offenen Gesellschaft ist per definitionem ein ideologischer Verbrecher – es ist unwichtig, ob er (oder sie) sich auf der linken oder rechten Seite des politischen Spektrums befindet.

Aber Karl Popper war immer noch ein offener Kapitalist und wirtschaftlich auf der Rechten zu verorten. Da er gegen alle kommunistischen und sozialistischen Elemente in der Kunst, Gesellschaft usw. war, war er kulturell in vielerlei Hinsicht rechts gerichtet. Popper war also noch kein voll ausgereifter Liberaler 2.0, aber nahe dran. 

George Soros: das Ziel 

Dann kam das letzte Element des Übergangs vom Liberalismus 1.0 zum Liberalismus 2.0. Willkommen im Universum von George Soros! Ironischerweise bedeutet der Name “soros” im Ungarischen “der Nächste”. Was für eine gute Wahl für die symbolische Figur des Liberalismus 2.0.

Soros ist ein Schüler von Karl Popper, der wie Soros selbst anerkennt, einen entscheidenden Einfluss auf seine Weltanschauung hatte. Soros wurde zum Anhänger Poppers und machte es sich zum Lebensziel, die Offene Gesellschaft überall in der Welt zu propagieren. Hier haben wir es mit einem voll ausgereiften liberalen Plan (ein Widerspruch in den Augen Hayeks) zu tun, der aggressiver, radikaler und offensiver, als jener von Popper ist. Popper schränkte seinen Aktivismus darauf ein, seine Ansichten auszudrücken. Soros wurde einer der reichsten Männer der Welt durch Finanzspekulationen und wendete seine Prinzipien der Offenen Gesellschaft auf die Weltpolitik an. Soros wählte den Namen “Open Society” für seine Stiftung, welche als Deckmantel für ein weltweites Netzwerk des offensiven Liberalismus dient, das versucht, die Politik in einem weltweiten Maßstab zu beeinflussen, zu kontrollieren, zu führen und zu unterminieren. Durch Soros wird der Liberalismus wirklich extremistisch. Er zögert nicht, Farbrevolutionen zu finanzieren, Aufstände, Putsche und was auch immer er als tauglich empfindet, um die Feinde der Offenen Gesellschaft zu bekämpfen. Wie lauten die Kriterien, nach denen ein solcher bestimmt wird? Wer ist der Richter? Die Kriterien dazu werden in Soros Bibel, Poppers Buch Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde bestimmt. Der Richter ist Soros selbst, der Hauptvermittler des liberalen Plans und seiner praktischen Umsetzung. 

Gleichzeitig können wir einige Veränderungen in der ideologischen Haltung von George Soros und seinem globalen Reich feststellen. Soros hat damit begonnen, sich immer mehr und mehr extremen Linksliberalen, ausgesprochenen Postmodernisten und voll ausgereiften linksextremen Aktivisten anzunähern. Vielleicht ist das so, weil er sie als mehr im politischen Aktivismus engagiert betrachtet – was notwendig ist, um das globale Ziel des liberalen Vorhabens zu erreichen. Oder seine Ansichten bezüglich des kapitalistischen Systems haben sich im Allgemeinen gewandelt. Aber in seinen jüngsten Schriften bezeugen die politischen Taten von Soros und der von ihm unterstützten Organisationen eine wachsende Tendenz auf der Linken – inklusive der extremen Linken, die den Kapitalismus an sich offen kritisiert. Soros propagiert aktiv Post-Humanismus, Genderpolitik, Cancel Culture, Feminismus und alle Arten anti-religiöser Bewegungen. Er befürwortet all dies im Namen des Fortschritts. 

Mit Soros sind wir folglich am anderen Ende des Liberalismus angekommen.

Wenn Popper Hayek geähnelt hat und Soros Popper ähnlich war, dann erscheinen Soros und Hayek als zwei Extreme. Eines davon (Hayek) spricht sich für die Tradition aus und richtet sich radikal gegen jede Art von Plan und den Fortschritt (da niemand mit Sicherheit wissen kann, ob etwas Fortschritt ist oder nicht.). Das andere ist das genaue Gegenteil und spricht sich für den Fortschritt und das liberale Projekt aus, dass man linksextremen Liberalismus nennen kann.

Alle drei von Ihnen richten sich gegen die zweite und die dritte politische Theorie, aber es scheint so, dass sich nach dem Sieg über sie die Schlange umgedreht hat, um sich in den eigenen Schwanz zu beißen. Soros greift fast alles an, was Hayek lieb und teuer war. 

All das war im Fall von Trump klar. Soros betrachtete Trump als seinen Erzfeind, was wiederum bedeutet, dass auch Hayek diesen Platz in seinem Denken einnimmt. Denn auch Trump ist keineswegs illiberal. Es gibt nichts Nationalbolschewistisches an ihm und seinen Positionen. Er ist ein Liberaler reinsten Wassers – vom Schlage Hayeks, nicht vom Schlage Soros. 

Hier verläuft die Wasserscheide zwischen Hayek (Liberalismus 1.0) und Soros (Liberalismus 2.0).

Individuum und Dividuum

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen weiteren wichtigen Punkt lenken: Auf das Problem des Individuums, wie es von beiden Ideologien “gelöst” wurde, im Liberalismus 1.0 und dem Liberalismus 2.0. 

Der klassische Liberalismus stellte das Individuum in das Zentrum der Gesellschaft. Die Figur des Individuums spielt in der sozialen Physik des Liberalismus dieselbe Rolle, wie das Atom in der wissenschaftlichen Physik. Die Gesellschaft besteht aus Atomen/Individuen, welche die einzig reale und empirische Grundlage der anschließenden sozialen, politischen und ökonomischen Konstruktionen sind. Alles kann auf das Individuum reduziert werden. Das ist das Gesetz.

Da das so ist, ist es einfach, die Ethik des Liberalismus zu erfassen und das heißt die Grundlage seines Verständnisses von Normen und des Fortschritts. Wenn das Individuum das Hauptsubjekt der politischen Theorie ist, muss es von allen Bindungen mit kollektiven Entitäten, die seine Freiheit begrenzen und es seiner natürlichen Rechte berauben, befreit werden. Historisch betrachtet wurden alle möglichen Institutionen und Regeln von Individuen (Thomas Hobbes) erschaffen. Indem er unangemessene Macht über sie erwarb, dient der Staat (der “Leviathan”) als eindeutiges Beispiel für all dies. Aber alle sozialen Strukturen – Gemeinschaften, Sekten, Kirchen, Stände, Berufe und in jüngster Zeit Klassen, Nationalitäten und das soziale Geschlecht haben dieselbe Funktion – sie bemächtigen sich der Freiheit des Individuums, sie drängen ihm (oder ihr im Falle eines weiblichen Individuums) die falschen Mythen einiger “kollektiver Identitäten” auf. Der Kampf gegen alle Arten der kollektiven Identität ist also die moralische Pflicht der Liberalen und der Fortschritt wird darin gemessen, ob dieser Kampf erfolgreich ist oder nicht. 

So ist die Logik der Hauptströmung des Liberalismus. Am Ende des 20. Jahrhunderts war die Hauptagenda der Befreiung des Individuums bereits erreicht worden. Die traditionelle vormoderne europäische Ordnung war bereits Anfang des 20. Jahrhunderts besiegt und total zerstört worden. Der Sieg über den Faschismus 1945 und der Sieg über den Kommunismus 1991 bildeten zwei symbolische Marksteine der Befreiung des Individuums von der nationalen und der klassenbezogenen (“ständischen”) Identität (dieses Mal als künstliche Identitäten, die von den illiberalen Ideologien der Moderne erfunden wurden). Die Europäische Union wurde als Denkmal an diesen historischen Sieg errichtet. Der Liberalismus wurde zu ihrer impliziten, manchmal expliziten, Ideologie.

Hier endete die siegreiche Geschichte des Liberalismus 1.0. Das Individuum ist befreit. Das Ende der Geschichte ist so nahe wie noch nie.

Es gibt keine formalen Feinde außerhalb des Liberalismus. Die Ideologie der Menschenrechte, die Anerkennung beinahe gleicher Rechte für jedes menschliche Wesen jenseits nationaler Gerichtsbarkeiten (genau darin liegt die eigentliche ideologische Grundlage der Masseneinwanderung) ist bestätigt. 

An diesem Punkt begannen die Liberalen zu begreifen, dass trotz all ihrer Siege noch immer etwas Kollektives, eine Art vergessene kollektive Identität da war, die ebenfalls zerstört werden musste. Willkommen in der Genderpolitik! Ein Mann und eine Frau zu sein, bedeutet eine definitive kollektive Identität zu teilen, die starke soziale und kulturelle Praktiken vorschreibt. Das ist eine neue Herausforderung für den Liberalismus. Das Individuum muss vom biologischen Geschlecht befreit werden, da Letzteres noch immer als etwas Objektives angesehen wird. Das Gender muss rein optional und die Konsequenz einer rein individuellen Entscheidung sein.

Die Gender Politik beginnt hier und verändert die eigentliche Natur des Konzepts vom Individuum unterschwellig. Die Postmodernisten waren die Ersten, welche aufzeigten, dass das liberale Individuum eine maskuline, rationalistische Konstruktion ist. Um es zu “vermenschlichen” müssen neue emanzipatorische Praktiken nicht nur die Gleichheit der Geschlechter überwinden, sondern alles in allem das gute alte Individuum durch eine neue, seltsame und pervertierte (wie es scheint) Konstruktion austauschen. Das einfache Gleichmachen von sozialen Möglichkeiten und Funktionen für Männer und Frauen, inklusive des Rechts, das Geschlecht nach Belieben zu ändern, löst das Problem nicht. Das “traditionelle” Patriarchat überdauert immer noch, indem es die Rationalität, Normen und so weiter definiert.

Die Postmodernisten – Deleuze, Guattari und so weiter – sind also zu dem Schluss gekommen, dass die Befreiung des Individuums nicht genug ist. Der nächste Schritt besteht in der Befreiung des Menschen oder besser gesagt der “lebenden Entität” vom Individuum. 

Nun naht der Moment der endgültigen Ersetzung des Individuums durch die gender-optionale rhizomatische Entität, eine Art Netzwerk-Identität. Und der letzte Schritt wird schließlich in der Ersetzung der Menschheit durch unheimliche Wesen bestehen – Maschinen, Chimären, Roboter, Künstliche Intelligenz und anderen Spezies der Gentechnologie. 

In den 1970er und 1980er Jahren handelte es sich dabei um die avantgardistische Forschung von extravaganten französischen Philosophen. In den 90er Jahren wurde sie zu einem wichtigen Trend im sozialen und kulturellen Bereich der westlichen Länder. In Bidens Wahlkampf war sie bereits eine voll ausgebildete Ideologie in der Offensive, die nicht länger das Individuum glorifizierte (wie im Liberalismus 1.0), sondern eine neue, ankommende post-menschliche Entität – das technik-zentrierte, gender-optionale, post-individuelle Dividuum. Linke Autoren wie Antonio Negri und Michael Hardt (die vom selben George Soros finanziert und beworben werden) haben den intellektuellen Boden für diese Konzepte bereitet. Aber jetzt werden sie vom Großkapital selbst akzeptiert, obwohl sie ursprünglich gegen dieses gerichtet waren. 

Die Linie zwischen dem Individuum und dem Dividuum oder zwischen dem immer noch Menschlichen und dem bereits Postmenschlichen ist das wesentliche Problem des Paradigmenwechsels vom Liberalismus 1.0 hin zum Liberalismus 2.0. 

Trump war ein menschlicher Individualist, der den Individualismus im alten Stil des menschlichen Zusammenhangs verteidigte. Vielleicht war er der Letzte seiner Art. Biden ist ein Vertreter der Ankunft der Post-Menschheit und des Dividualismus. 

Liberalismus 2.0 und die Vierte Politische Theorie

Ich widme die Letzte meiner Anmerkungen dem wirklich wichtigen Thema der Vierten Politischen Theorie und ihrer Entwicklung im gegenwärtigen ideologischen Zusammenhang. Die Vierte Politische Theorie ist normativ gegen alle Formen der Moderne gerichtet, gegen die Moderne an sich. Wenn wir jedoch die Realitäten des Sieges der Ersten Politischen Theorie über ihre Rivalen mit einplanen und damit ihre Sicherstellung des Status als einziger Erbin des eigentlichen der Moderne (der Aufklärung), dann ist die Vierte Politische Theorie offen und radikal anti-liberal. Wenn wir den Nationalbolschewismus als erste Phase der ideologisch-politisch-philosophischen Reflexion über die Tatsache des Endsiegs des Liberalismus über den Kommunismus im Jahr 1991 in seiner ganzen metaphysischen Tiefe mit einplanen, dann ist die Vierte Politische Theorie offensichtlich die zweite Phase desselben Vektors. Der Hauptunterschied liegt in der Zurückweisung des Bolschewismus, des Nationalismus und jeder Art von Mischung dieser beiden, als einer annähernd positiven Alternative zum weltweit siegreichen Liberalismus. Das ist die Folge der radikal anti-modernen Grundlage der Vierten Politischen Theorie, welche mehr als deutlich in der Formulierung ihrer grundlegenden Prinzipien sein muss, nicht zuletzt was das Eingehen von verschiedenen Kompromissen mit verschiedenen existierenden politischen Strukturen angeht, seien sie rechts oder links. Weder ein rechter, noch ein linker illiberaler Populismus kann heute den Sieg über den Liberalismus erringen. Um dazu in der Lage zu sein, müssten wir die illiberalen Linke und die illiberale Rechte integrieren. Aber die herrschenden Liberalen sind sehr wachsam, was das angeht und versuchen immer jegliche Bewegung in diese Richtung im Voraus zu verhindern. Die Kurzsichtigkeit der extremen-linken und extrem-rechten Politiker und Gruppen trägt nur dazu bei, dass die Liberalen ihre Agenda umsetzen können. 

Folglich kann ich nach 30 Jahren des politischen Kampfes vorschlagen, dass wir die nationalbolschewistische Phase auslassen und direkt zur Vierten Politischen Theorie selbst übergehen, dabei jede Art des Sozialismus und Nationalismus zurückweisen und stattdessen eine eindeutig anti-moderne Sicht der politischen Organisation übernehmen. Es ist schon so schwierig genug, schwache und dekadente linke und rechte Gruppen zu vereinigen, sodass es wesentlich einfacher wäre, von Anfang an zu beginnen und die Vierte Politische Theorie als eine vollkommen unabhängige und offen anti-moderne Ideologie zu formulieren. Aber gleichzeitig dürfen wir nicht den offensichtlichen und wachsenden Abgrund zwischen dem Liberalismus 1.0 und dem Liberalismus 2.0 ignorieren. Es scheint, als ob nun die innere Säuberung der Moderne und Postmoderne zu einer brutalen Bestrafung und vollumfänglichen Exkommunikation einer neuen Spezies von politischen Wesen führen würde – dieses Mal werden die Liberalen selbst zum Opfer, jene von ihnen, welche sich nicht als Teil der Strategie des Great Reset und der Achse Biden-Soros begreifen, jene die es ablehnen das endgültige Verschwinden der guten alten Menschheit, der guten alten Individuen, der guten alten Freiheit und der Marktwirtschaft zu genießen. Für nichts davon wird es einen Platz im Liberalismus 2.0 geben. Er wird posthuman werden und jeder, der das in Frage stellt, wird im Verein der Feinde der Offenen Gesellschaft willkommen geheißen werden. Wir sind hier schon seit Jahrzehnten und fühlen uns hier mehr oder weniger wohl. Also heißen wir euch in der Hölle willkommen, Neueinsteiger! Jeder Trumpunterstützer und gewöhnliche Republikaner wird nun als potenziell gefährliche Person betrachtet, genauso wie es uns seit langer Zeit ergeht. 

Hier gelangen wir zu einem wichtigen Punkt. Wenn wir auf der Überwindung des nationalbolschewistischen Standpunktes bestehen, geht es uns nicht darum, annehmbarer für die Liberalen zu werden. Nein, wir stellen einfach unsere Position klar, um in stärkerer Übereinstimmung mit unseren zutiefst anti-modernen Prinzipien zu stehen. Im gegenwärtigen Übergang vom Liberalismus 1.0 zum Liberalismus 2.0 könnte dies jedoch zufällig einige praktische Konnotation haben. 

Die Liberalen 1.0 müssen die Tatsache begreifen, dass die Vierte Politische Theorie diese Realität, welche heute die Manifestation dessen darstellt, was sie hassen und durch das sie leiden, als Hauptfeind ansieht. Der Trumpismus und generell der humanistische, individualistische Liberalismus stehen unter Beschuss. In den Augen der Jünger von Soros und Biden sind sie fast mit den Nationalbolschewisten ident, usw. Sie machen keinen Unterschied. Ein Feind der Offenen Gesellschaft zu sein, stellt den Schlusssatz dar. Daran können Sie nichts ändern. Es ist also an der Zeit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Liberale 1.0 nicht länger respektable Bürger des kapitalistischen Status quo darstellen. Die Liberalen 1.0 werden nun ins Exil geschickt, ins politische Ghetto – zu uns. Weil die Vierte Politische Theorie dazu aufruft, den gesamten Verlauf der politischen Moderne zu überdenken, ist es notwendig gegenüber dem Kommunismus und Nationalismus in diesem Ghetto freundlich zu sein. Dabei geht es nicht um den Nationalbolschewismus. Bei der Vierten Politischen Theorie geht es um den Endkampf der Menschheit gegen den Liberalismus 2.0 – genau das, was Sie davon denken. Es war von Anfang an eine Art Kompromiss, den “Nationalismus” in die Revolte gegen die moderne Welt mit einzuschließen. Evola erklärte die Gründe und Grenzen davon gut. Es war kein geringer – und vielleicht viel größerer – Kompromiss, die anti-liberale Linke, also Sozialisten und Kommunisten, einzuschließen, wenn sie nicht ernsthaft gegen-hegemonial orientiert wären. Wir können nun einen Schritt weiter gehen: Lasst die Liberalen 1.0 in unsere Reihen eintreten! Um dies zu tun, ist es nicht notwendig, illiberal, philokommunistisch oder ultranationalistisch zu werden. Nichts dergleichen! Jeder kann seine guten alten Vorurteile behalten, so lange wie er möchte. Die Vierte Politische Theorie stellt eine einzigartige Position dar, wo die wahre Freiheit willkommen ist: Die Freiheit für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen, ein Patriot zu sein, den Staat, die Kirche, das Volk, die Familie zu verteidigen und ein Mensch zu bleiben sowie etwas anderes zu werden. Die Freiheit ist nicht mehr auf ihrer Seite. Der Liberalismus 2.0 ist der Feind jeder Art von Freiheit. Also lasst uns diesen Wert nicht verlieren! Er ist deswegen der größte Wert, weil er die Essenz der menschlichen Seele und des menschlichen Herzens darstellt. Die Freiheit öffnet uns den Weg zu Gott, zur Sakralität und zur Liebe.

Wenn die Freiheit politisch werden muss, lasst sie uns zu unserer wichtigsten Parole machen! 

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