Einführung in die Noomachie (Neunte Vorlesung) – der serbische logos

Einführung in die Noomachie (Neunte Vorlesung) – der serbische logos

Von Alexander Dugin.

Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Markovics

Lassen Sie sich uns nun auf den serbischen logos konzentrieren. Zunächst ist es sicher und steht
zweifelsfrei fest, dass es so etwas wie ein serbisches Dasein und einen serbischen Existenzhorizont
gibt. Das ist deswegen so, weil es ein serbisches Volk gibt. Und weil dem so ist, bedeutet das, dass
es auch so etwas wie ein serbisches Dasein und einen serbischen Existenzhorizont gibt. Soweit ich
weiß, gibt es niemanden, der sich bis jetzt entschlossen hat das serbische Dasein zur Gänze mit
heideggerianischen Kategorien zu beschreiben, doch ist es bis zu einem gewissen Grad eine
technische Aufgabe. Wenn wir verstehen, was wir bereits über die Noologie, über das Dasein, über
den Existenzhorizont gesagt haben und Sein und Zeit von Heidegger kennen, sind wir in der Lage,
diese Kategorien (die er Existenzialien nannte) anzuwenden, diese besonderen Kategorien, um das
Dasein zu beschreiben. Es ist eine technische Aufgabe, sie auf das serbische Dasein anzuwenden.
In meinem zweiten Buch über Heidegger mit dem Titel „Martin Heidegger: Die Möglichkeit einer
russischen Philosophie“ habe ich dasselbe für das russische Dasein gemacht. Dabei ich bin zum
Schluss gekommen, dass es verschiedene Daseins gibt, denn das russische Dasein schien
verschiedene Existenzalien zu besitzen, die auf der anderen Struktur des russischen
Existenzhorizonts gründeten. Dieses Beispiel können Sie dafür nützen, um denselben Vorgang für
den serbischen logos oder das serbische Dasein durchzuführen, um die Möglichkeit einer serbischen Philosophie zu ergründen. Soweit ich weiß, gibt es keine serbische Philosophie im Sinne von etwas klarem oder abgeschlossenen. Es gibt serbische Philosophen, aber keine serbische Philosophie, ebenso wie es keine russische Philosophie gibt. Es gibt russische Philosophen, darunter
herausragende und weniger herausragende, aber keine russische Philosophie. Wir begannen am
Ende des 19. Jahrhunderts damit, eine solche zu erschaffen, viele Jahre nachdem bereits eine
deutsche, französische, lateinische und griechische Philosophie existierten (in letzterem Fall sogar
Tausend Jahre später). Dieser Prozess in unserer Geschichte wurde von den Kommunisten
unterbrochen, die diesen Prozess abgeschlossen hatten. Nun versuchen wir an den Moment
zurückzukommen, wo wir damit aufgehört hatten. All das ist aber noch kein Triumph. In der
russischen Geschichte sind wir noch immer nicht an dem Moment angelangt, dem Augenblick an
dem die Manifestation der russisch-religiösen Philosophie unterbrochen worden war. Wenn wir das
alles mit Serbien vergleichen, könnte es vielleicht als Beispiel dienen. Ich bin mir nicht sicher, ob es
eine ernsthafte Anstrengung gibt eine serbische Philosophie zu erschaffen. Es ist jedoch jederzeit
möglich, da es ein serbisches Dasein gibt. Aber dies zu offenbaren, es in die Form des logos zu
gießen, ist kein technisches Problem. Wir könnten uns diesem technisch annähern aber wir
benötigen einen serbischen Genius und ich bin sicher das dieser der Gegenwart und der Zukunft
angehört, nicht der Vergangenheit. In der Vergangenheit hatten wir eine Art philosophische,
existenzielle und geschichtliche Grundlage dafür.

Aber wir können eine kurze vorbereitende Analyse darüber machen was der serbische
Existenzhorizont ist. Der erste Fakt der serbischen Geschichtssequenz in die Ankunft des
sogenannten namenlosen Prinzen in Byzanz, wo er vom byzantinischen Kaiser akzeptiert wurde.
Die Tradition geht davon aus, dass dieser namenlose Prinz aus Weißserbien stammte, welches
irgendwo im Norden von Osteuropa vermutet wird. Eine der Theorien besteht darin, dass er etwas
mit Lusatia (der Lausitz, Łužica) zu tun hatte, mit den Serben und mit einen der polabischen
Slawenstämme – Łužici, Łužicane und Obodriten. Die letzten Spuren davon finden wir in den
Lausitzer Serben oder Sorben. Das ist eine der Theorien. Es gibt also ein serbisches Mutterland das
nicht am Balkan liegt, sondern von dort aus nördlich gesehen. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach
der Urheimat der Slawen, welche nördlich der Karpaten liegt. Dieser Ort war kein originär
serbischer Platz, sondern es waren die Protoslawen die nördlich der Karpaten in der heutigen
Westukraine lebten. Und hier befanden sich auch Weißkroatien und die Weißkroaten in der Nähe.
Nach der Expansion der Slawen wanderte ein Teil der Slawen in den Norden aus und ließ sich im
Baltikum nieder unter den anderen polabischen Slawen. Sie stellten die dominierende Population an der Küste der Baltischen See während des fünften und sechsten Jahrhunderts dar. Und einer dieser polabischen Stämme, entweder die Luticer, Obodriten oder Lusatianer, stellte die Ahnen der Serben und lebte westlich von allen anderen polabischen Stämmen. Von dort kamen die Ahnen der Serben schließlich auf den Balkan nach dem sie zuerst im Osten des Balkans gesiedelt hatten. Schließlich gab ihnen der byzantinische Kaiser die Gebiete des heutigen Serbiens als Lehen, um sein Reich gegen die Awaren zu verteidigen, die ihre eigenen cognates in Pannonien, einem Teil von Rumänien und dem heutigen Ungarn geschaffen hatten. Das ist also die althergebrachte Geschichte. Es gibt viele andere Fassungen, aber lassen sie uns diese zur Orientierung verwenden.
Was hier von besonderem Interesse ist, ist der Name des Gebietes des polabischen Slawen, das
europäisches Sarmatien genannt wurde. Dieses Gebiet wurde von den sarmatischen Stämmen
beherrscht. Die Slawen standen also in sehr enger Verbindung zu den Sarmaten, einer iranisch-nomadisierenden Populationsgruppe die fast in ganz Osteuropa siedelte, aber vor allem als
herrschende Klasse fungierte. Aus diesen sarmatischen Gruppen wurde also eine herrschende
Klasse für die Gesellschaft Osteuropas geschaffen. Diese Idee war in Polen entwickelt worden,
welches die Wurzeln seines Adels bei den Sarmaten verortete, das Gleiche gilt für die Balten. Wenn
wir den Gesellschaftstyp der polabischen Slawen studieren, scheint es so, dass sie in unserem Sinn
turanisch gewesen sind. Sie waren sehr kriegerisch und hatten keine besonders entwickelte
Bauernschaft. Das Hauptmerkmal der polabischen Slawen waren ihre kriegerische Haltung sowie
der Besitz und die Verehrung der Pferde. Gleichzeitig waren sie sehr unabhängig und konnten keine
Macht über ihnen tolerieren. Also waren die Sarmaten turanischen Typs. Sie sprachen eine
slawische Sprache, jedoch mit vielen slawischen Eigenheiten. Wir können nichts gesichertes über
das Gleichgewicht zwischen der sarmatischen Aristokratie und der slawischen Bevölkerung sagen,
jedoch waren die polabischen Slawen sarmatischen und turanischen Typs sie besaßen also eine
ausgeprägte Aristokratie mit Adeligen Kriegern zu Pferde. Und das wiederum macht den
turanischen Gesellschaftstyp aus.

Besonders interessant ist hierbei der Unterschied zwischen dem polabischen Typ der sarmatischen
Slawen und den Sclavinen, einer anderen slawischen Gruppe die vom östlichen Balkan gemeinsam
mit den Awaren kam. Dort wiederum dominierte die Bauernschaft. Die Serben, die auf den Balkan
zogen waren also die Träger des sarmatischen Geistes und dieser hatte Einfluss auf die serbische
Identität. Nachdem sich die Bauernschaft ausgebildet war, wurde die Slawifizierung der Thraker
oder vielleicht prä-Thraker abgeschlossen – denn das Gebiet, auf dem die Serben am Balkan
angesiedelt wurden gehörte zunächst zu den Thrakern – und die thrakische Gesellschaft war eine
Mischung zwischen der trifunktionalen Gesellschaft der Indoeuropäer und den Überbleibseln der
präindoeuropäischen Gesellschaft welche zur alten Zivilisation der Großen Mutter gehörte. Die
Serben siedelten über diesem Existenzhorizont, assimilierten ihn, wirkten sich auf diesen aus und
schufen schließlich ein besonderes serbisches Volk, welches sich vom bulgarischen Volk
unterschied (insbesondere den Makedonen). Die dominierende Identität der frühen Serben war
genau dieser Kriegertyp des menschlichen Seins. Die Bauernschaft war also von sekundärer
Bedeutung und dominierte am Anfang nicht. Aus diesem Grund wurde ein besonderer serbischer
Charakter geformt, der auf diesem polabisch-sarmatischen Typ gründete. Die Serben wurden also
zunächst als Krieger angesehen, wir haben es hier mit einer Art prä-Hajduktyp zu tun. Die kleinen
und die großen Serben, jeder war ein Knez: Es gab daher kleine und große Knez. Auch das
entsprach der nomadisch-iranischen Tradition – kein großes Zarenreich zu besitzen und nicht die
Möglichkeit zu haben, über den Fremden zu herrschen. Diese aristokratische Gesellschaft
inkludierte auch die vorhergehende Bevölkerung, welche in die serbische Gesellschaft gut
eingebunden wurde. Das Gleichgewicht war beim russischen Beispiel jedoch anders, wo eine
Gesellschaft bäuerlich-russischen Stils absolut dominierte. Diese war also eine bäuerliche
Gesellschaft, deren Erzählungen und Volkssagen sowie Geschichten über die Bogatyri alle auf der
bäuerlichen Figur basierten oder fremden Ursprungs waren. Bei den Ostlawen und insbesondere in
der russischen Gesellschaft gab es zum Beispiel keine slawische Aristokratie. Der gesamte russische
Adel war nicht slawischen Ursprungs, sondern setzte sich aus Deutschen, vielleicht aber auch
Sarmaten zusammen, war jedoch nicht slawisch. Bei den Serben war dies jedoch nicht der Fall. Von
Anfang an gab es hier viele Adelsfamilien. Nicht nur eine Dynastie, sondern viele, sogar solche
zweiten und dritten Ranges. Bis zu einem gewissen Punkt waren die Serben eine Aristokratie oder
sahen sich selbst als eine solche an. Die Aristokratie bestimmt also das Bild. Wenn du ein Knez bist
verhältst du dich wie ein Knez (=Prinz). Das ist die Haltung und genau diese Haltung gab den Ton
an.

Eine ähnliche Situation finden wir beim polnischen Volk vor. Jeder täuschte vor ein Szlachcic zu
sein. Beinahe ein Drittel der Bevölkerung war Szlachcic (Prinz, Angehöriger des Adels). In
Russland zum Beispiel gehörte nur weniger als ein Prozent der Bevölkerung der Aristokratie an, in
Polen hingegen waren es ein Drittel. In Serbien wiederum war es ähnlich wie in Polen, wo etwa die
Hälfte der Bevölkerung als Knez angesehen wurde, als Angehöriger des kleinen Adels. Das ist sehr
wichtig, denn es spiegelt die Kriegertradition des sarmatischen Typs wieder. Dies war ein sehr
wichtiger Startpunkt für das Studium der serbischen Identität, den wir auch im 20. und 21.
Jahrhundert noch ausmachen können. Dementsprechend haben wir es hier mit einer sehr stabilen
Tradition in der serbischen Psychologie zu tun. Wenn wir diesen Gesellschaftstyp oder
Existenzhorizont vorfinden, ist es sehr schwierig einen Staat aufzubauen, weil sich niemand der
Autorität des Anderen unterwerfen will. Dementsprechend ist jedermann seine eigene Autorität und es gibt keine andere Autorität. In diesem Existenzhorizont haben wir es also mit einer Art
aristokratischen Anarchie zu tun. Das ist ein konstantes Merkmal der serbischen Geschichte.

Das nächste Element war der Einfluss der byzantinischen Kultur. Die Serben wurden christianisiert
und lebten unter dem Schutz der Byzantiner. Dies stellte die Annahme des Christentums in seiner
östlichen Form dar. Am Anfang war dies noch nicht so deutlich, da es in dieser frühen Phase noch
keine Spaltung gab. Als die Serben zum Christentum bekehrt wurden, gab es keinen klaren
Unterschied zwischen Orthodoxie und Katholizismus. Es bestand also eine Einheit, die später
getrennt wurde, aber nichtsdestotrotz übten die Byzantiner den entscheidenden Einfluss über die
Serben aus. Das war sowohl am Anfang der Serben auf dem Balkan so, als auch jetzt am Ende. Im
Falle der christlich-orthodoxen-byzantinischen Tradition haben wir es also mit einem sehr stabilen
Faktor zu tun. Gestern haben wir darüber gesprochen, dass die byzantinische Tradition der
Orthodoxie keine rein religiöse Tradition ist. Sie besitzt auch eine kulturelle, politische und soziale
Dimension. Die Serben wurden also in das byzantinische Reich integriert, mit dem Katehon als
Konzept, dem Patriarchen als Oberhaupt der Kirche und auch dem Volkschristentum, welches die
vorchristliche Tradition der Feiertage und der vorchristlichen Figuren in den Zusammenhang der
christlichen Heiligen, Feste und so weiter integrierte. Dementsprechend war das populäre slawisch-serbische Christentum im Angesicht der vorchristlichen Tradition nicht so sehr exklusiv, sondern inklusiv. Das serbische Christentum schloss also viel Traditionen und Figuren vorchristlichen Typs mit ein: Petak, Sveta Nedelja, Svetac George, Prorok Ilija und Sveti Nikolaas sind die neuen Archetypen für die vorchristlichen, indoeuropäischen Figuren. Wenn wir also die vorchristliche Tradition der Serben kennenlernen wollen, dann können wir uns nicht nur dem Brauchtum, den Volksliedern oder den heidnischen Mythen zuwenden, die in einer kleinen Zahl konserviert worden sind, sondern auch einer korrekten Analyse der serbisch-christlichen Tradition, welche uns mehr über die vorchristliche Kultur des serbischen Volkes zeigen kann als zum Beispiel die künstlich postmoderne Rekonstruktion des Paganismus. Wollen wir verstehen was vor dem Christentum da war, müssen wir das serbische Christentum analysieren und uns auf bestimmte Figuren wie Feste konzentrieren, sowie auf die Traditionen, die in Verbindung zu den serbisch-christlichen Heiligen und den besonderen Tagen des Kalenders und so weiter stehen, denn das Christentum war inklusiv.

Aber was wurde genau inkludiert? Genau das was wir bereits analysiert hatten, die Ebene der
indoeuropäischen patriarchalen Tradition die in Verbindung mit dem vor-serbischen thrakischen
Existenzhorizont stand, jedoch auch von den ersten Serben verstärkt wurde, die Träger der selben
vertikalen Struktur waren. In der griechisch-byzantinischen Tradition trafen sie auf ein sehr
ähnliches Konzept und auch in der thrakischen Tradition, ebenso wie in der römischen und
hellenistischen Tradition. Denn sie alle wurden vom Platonismus ausgehend erschaffen. Im
vorchristlichen Serbien, im christlichen Serbien, in Thrakien, bei den Byzantinern und Römern,
überall dort existierte die indoeuropäische Ebene des Existenzhorizonts, aber auch zugleich die
paläoeuropäische Tradition und deren Existenzhorizont, die hier sehr wirkmächtig waren, stärker als
im Norden Europas. In Nordeuropa, dem polanischen Weißserbien, dem Mutterland der Serben, gab es geringere Elemente des matriarchalen Typs, die wahrscheinlich von der Cucuteni-Tripolje-Kultur stammten, mit Ausläufern bis in den Norden und Osten hinein, aber in schwächerer Form als auf dem Balkan.

Es gab auch eine Art matriarchale Tradition die in der erst neu geschaffenen serbischen Identität
eingebettet war. Dieses Siedlungsgebiet war zugleich das Mutterland der matriarchalen Tradition,
daher war sie hier auf dem Balkan auch besonders stark. Dies erklärt auch zum Teil, was der
italienische Autor Gasparini mit dem slawischen Matriarchat meinte. Es gab kein slawisches
Matriarchat, jedoch war der Einfluss des Matriarchats auf dem Balkan sehr stark und in der
serbischen Tradition eingebettet. Dieser spiegelte sich in der Gestalt der Vila-Geschichte wider, in
einigen femininen Bildern von Volksliedern und -Bräuchen aber auch in dem sehr alten Skadarlied,
welches von dem Bau der Stadt Skadar handelt, als eine Frau in der Stadtmauer eingemauert wurde. Das Lied behandelt den Schöpfungsmythos der Stadt, der sehr tragisch und romantisch ist, aber letztlich eine rein kybelische Geschichte über den Bau der Stadt Skadar darstellt. Dabei handelt es sich nicht so sehr um eine sarmatische, sondern eine balkanische Eigenschaft der Serben. Und wir finden in der rumänischen Kultur das selbe Muster mit Meșterul Manole vor, welcher dazu
verpflichtet war seine Frau, die wie im Skadarlied schwanger war, in die Mauern der schönsten
Kirche Argeș in den Karpaten einzumauern.

Die Idee besteht also darin, dass auch der matriarchalische Aspekt der sehr alten matriarchalischen
Balkanzivilisation in dem Existenzhorizont der Serben eingebettet wurde. Daher müssen wir diesen
Einfluss messen können. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, wie tief dieser Einfluss war, aber
es ist sicher, dass es einen solchen Einfluss gegeben hat. Er wurde in der Tradition der serbischen
Bauernschaft in einer bestimmten Epoche widergespiegelt, aber nicht in der gesamten Tradition.
Denn dieses war eine männliche Tradition, die auf dem schweren Pflug aufbaute, der nur von
männlichen Arbeitern geführt werden konnte, es gab jedoch auch viele Traditionen die die Frau mit
der Erde verbanden, mit der Ernte, mit der Kultivierung der Erde, die wir allesamt genauer
bestimmen müssen, um ein exaktes Bild dieser tiefsten Ebene der serbischen Identität zu
bekommen. Das war eine Art einführende Analyse des serbischen Daseins. Die neue Fassung dieses
Daseins beginnt jedoch mit der Nemajidendynastie. Die Christianisierung fand auch hier im
Zusammenhang des Großmährischen Reiches sowie der Tradition von Kyrill und Method statt.
Bereits hier haben wir es also mit etwas Slawischen in all dem zu tun. Die Serben empfingen die
christliche Tradition als auf die kyrillische, slawische Art. Dabei handelt es sich um einen sehr
wichtigen Schritt, weil er im religiösen Sinn eine Verbindung zur bulgarischen Initiative schuf, die
eine besondere slawisch-christliche Kirche schaffen wollte, das sogenannte sechste Patriarchat,
welches von den Bulgaren proklamiert wurde um von der slawischen Christenheit autonom und
unabhängig zu sein. Und dies war der Anspruch ein erstes slawisches Patriarchat zu schaffen,
welcher im ersten bulgarischen Königreich nach der Christianisierung bestand. Die Serben
befanden sich also im selben konzeptuellen Feld. Dieses bestand in der Annahme des orthodoxen
Christentums in seiner slawischen Form mit dem Kirchenslawischen, einer einzigartigen Form der
bulgarischen Sprache, die in Großmähren ausgearbeitet worden und in Bulgarien wie Russland
angenommen worden war. Das Kirchenslawische ist also weder russisch noch serbisch, sondern
vielmehr eine bulgarische Sprache – besser gesagt: man sieht es also eine besondere südslawische
Sprache an.

Wichtig ist hieran jedoch vor allem, dass die Serben in die christliche Gesellschaft nicht nur im
Sinne der byzantinischen Herrschaft integriert wurden, sondern auch in den slawischen
Zusammenhang. Dies geschah zur Gänze während der Nemanjidendynastie. Diese Idee bestand
darin, dass es genau jetzt an der Zeit sei mit den Nemanjiden ein serbisches Königreich zu
erschaffen und damit das Ereignis in der serbischen Geschichte, ein Königreich im vollen
byzantinischen Sinne und zur gleichen Zeit das bulgarische Beispiel zu wiederholen. Wiederholen
deshalb, weil die Bulgaren als erste ein slawisches Königreich und eine besondere, autonome
slawische Kirche beanspruchten. Das serbische Königreich war also die Fortsetzung des
bulgarischen Erbes, die gewissermaßen auch in Konkurrenz zu den Bulgaren stand, aber
gleichzeitig ihr Erbe fortsetzte. Großmähren war für die Orthodoxie und die besondere slawische
Tradition verloren und in dieser Zeit beanspruchte Russland sie nicht, also gab es zwei Ansprüche
darauf eine unabhängige slawische Christenheit im byzantinischen Sinne zu erschaffen und nun tritt
dieser buchstäblich auf und zeigt wie wichtig der Zusammenhang des Königreichs in all dem war,
denn Byzanz bedeutet eine Art des Reiches. Dieses muss auf einer symphonischen Beziehung
zwischen dem heiligen König und dem Patriarchen, dem Oberhaupt der Kirche, gründen. Dies
geschah zuerst bei den Bulgaren im Fall des ersten und zweiten bulgarischen Königreiches. Mit den
Nemanjiden und dem Heiligen Sava wurde dies jedoch im serbischen Fall wiederholt.
Die Gründung des serbischen Königreichs und des serbischen Patriachats in Fünfkirchen (Pécs) war
das gleiche Ereignis im Sinne einer Annahme der katheonischen Mission. Den ersten Anspruch
darauf, Katehon zu sein, tätigten die Bulgaren und Makedonier im selben Raum. Und die
Nemanjiden stellten ihn zum zweiten Mal. Die Gründung des serbischen Staates war also die
Vorbereitung darauf, das Erbe der Byzantiner anzutreten und die Mission des Katehon von der
Universalität des Byzantinischen Reiches auf die slawische Welt zu übertragen. Darüber hinaus gab
es die Prä-Tendenzen Bulgariens und Serbiens. In einem bestimmten Moment dominierten die
Bulgaren und die Serben hatten das Nachsehen, unter den Nemanjiden jedoch fand der Aufstieg der serbisch-katehonischen Tradition statt – dies beeinflusste die serbische Identität in der nächsten
Periode entscheidend.

Diese katehonische Tradition baut jedoch auf der Symphonie zwischen dem serbischen König und
dem serbischen Patriarchen mit dem siebenten Patriarchat (diesmal serbisch) auf, dass einen
Anspruch auf das byzantinische Erbe darstellte. Wir können also feststellen, dass Russland und der
Aufstieg Russlands ein Drittes Rom waren. Davor war in während des zweiten bulgarischen
Königreiches und in Veliki Preslav das Dritte Rom, jetzt befindet sich das Dritte Rom in Russland.
Es war der zweite Anspruch innerhalb des slawischen Existenzraumes auf die byzantinisch-orthodoxe Mission. Das Konzept bestand also aus dem serbischen Staat, der serbischen Kirche und
dem serbischen Patriarchat als Katehon. Dies war bereits eine Vorform des serbischen logos.
Aufgrund aller christlichen Traditionen und den Verbindungen des Heiligen Sava mit dem Berg
Athos, mit all der metaphysischen Tradition der Mönche wurde die geistig-mystische Orthodoxie
nach Serbien gebracht und das serbische Königreich in das Zentrum gestellt, welches mit der
serbisch-christlich-katehonischen Erleuchtung in Zusammenhang stand. Zur Zeit der Nemanjiden
wurde es bereits als Proto-Reich betrachtet, dieses serbische Reich, dass die ganze Welt in sich
einschließen sollte, da in der katehonischen Tradition, wie wir bereits erklärt haben, der Kampf
gegen den Antichristen ausgetragen werden muss. Dies war also die apollinisch-dionysische
Mission des Zaren, die jedoch auch in weiterer Folge durch das Volk ausgeübt wurde. Also bildeten
Zar, Kirche und Volk die katehonische Einheit. Sie bildet das logische philosophische Werkzeug für
die byzantinische Tradition welche sowohl das Christentum als auch die vorchristliche Art des
Denkens mit einschloss und das war die Organisation der ersten und (so würde ich zumindest
sagen) großartigsten Form des serbischen logos. Mit den Nemanjiden , dem Heiligen Sava und dem
Patriarchat von Fünfkirchen wurden die Grundlagen des serbischen logos gelegt. Das ist die
serbische Identität in der der Existenzhorizont und das serbische Dasein ihren Höhepunkt
erreichten. Wir können also nichts vergleichbares oder auch nur ähnliches in der gesamten
serbischen Geschichte vorfinden. Dies war also der Höhepunkt, an dem das immanente serbische
Dasein einen serbischen logos im Staat erschaffen hatte, in der religiösen Tradition der Serben mit
dem Heiligen Sava und dem serbischen Volk als katehonisches Volk mit der Aufgabe die Dunkelheit
mithilfe des Zaren und der Könige zu bekämpfen zugunsten des Christentums. Und genau darin lag
die serbische Sendung. Die Serben sind also grundsätzlich Träger dieses serbischen logos der zur
Zeit der Nemanjidendynastie von Anfang an geformt und explizit manifestiert wurde.

Und dieser Anspruch setzte die katehonischen Erwartungen der Serben in Gegensatz zu denen der
Bulgaren. Doch handelte es sich dabei um keine richtige Opposition, sondern um einen
Wettbewerb. Dies lag daran, dass sie beide eine sehr ähnliche post-byzantinische, aber auch
slawische, orthodoxe und katehonische Identität besaßen. Darin liegen also die Wurzeln des
Wettstreits zwischen den beiden größten slawischen Völkern des Balkans, zwei Fassungen der
katehonischen Gesellschaft, unabhängig vom byzantinischen Königstum sowie politischen Staat
und bis zu einem gewissen Punkt unabhängig von der Kirchenorganisation. Das war die
Präfiguration Großrusslands, des Dritten Roms, denn es waren genau diese beiden Beispiele die im
vierzehnten Jahrhundert von Russland wiederholt wurden. Dieser Anspruch wurde aber schon zuvor
formuliert, da der bulgarische und serbische Anspruch darauf ein katehonisches slawisches Volk mit
der eschatologischen Mission im Krieg des Lichtes gegen die Mächte der Dunkelheit zu kämpfen
schon vor dem russischen Vorhaben gleicher Art formuliert wurde. Die Russen hatten vielleicht
einen viel spektakuläreren Erfolg, da sie es bis zur Weltmacht brachten, aber die Ideologie war sehr
ähnlich, vielleicht sogar die selbe. Russlands Drittes Rom ist das Konzept der Übertragung des
Reichs, eine Wiederholung des bulgarischen Beispiels. Am Ende der byzantinischen Geschichte im
15. Jahrhundert fand jedoch der Höhepunkt in diesem Prozess statt und dieser bestand in der
Herrschaft Dušan des Mächtigen.

Dušan erschuf ein echtes Reich, das fast den gesamten Balkan und große Teile Griechenlands
beherrschte. Und in genau diesem besonderen politischen Raum erhielt die von ihm übernommene
Mission ihre konkreten Grenzen. Diese waren das von ihm geschaffene Großserbische Reich. Es
hatte nicht allzu lange Bestand, brachte aber auch den Berg Athos unter die Kontrolle des
serbischen Königs. Zur Zeit Dušan des Mächtigen fand also die konkrete Realisierung der
katehonischen Tradition mit Russland im Zentrum und einem zu dieser Zeit sehr schwachen
Bulgarien statt, welches keine Alternative dazu darstellen konnte. Der Aufstieg der Nemanjiden
stellte also den Höhepunkt dieses logos dar. Der logos wurde somit zur intellektuellen, geistigen
und religiösen Zeit am Anfang der Nemanjidenherrschaft geformt und erreichte seine vollständige
Manifestation im Raum unter der Herrschaft Dušan des Mächtigen auf dem Balkan. Demnach war die gesamte Epoche der Nemanjiden der Geburt, der Entwicklung und der Reifung des serbischen logos gewidmet. Die echten Serben, die in dieser Epoche lebten waren also eine Art Archetyp. Serbe zu sein, bedeutet also diesem Punkt, der Geschichte anzugehören, genauso wie es für uns bedeutet, Russe zu sein, der Epoche Ivan des Schrecklichen anzugehören. Denn das war der Höhepunkt unserer geschichtlichen, spirituellen, politischen und kulturellen Leistung.
Der serbische logos lässt sich also in Raum und Zeit verorten. Es gibt also einen großserbischen
Raum und eine großserbische Zeit, weil der logos in der byzantinischen und slawisch-christlichen
historischen Situation geformt wurde. Alles was wir dort und zu dieser Zeit vorfinden ist also rein
serbisch in jeder Hinsicht. Alles was vor den Nemanjiden existierte war eine Art Einführung.
Alles das nach Dušan dem Mächtigen existierte war eine Art Widerhallen davon, eine Fortsetzung
mit allen Konsequenzen. Das ist das Zentrum der serbischen Geschichte und der Höhepunkt des
serbischen logos.

Darauf folgte ein sehr schneller Niedergang und der Aufstieg des Osmanischen Reiches. Und der
nächste Wendepunkt war die Schlacht am Amselfeld, wo die Zukunft des Katehon entschieden
wurde. Das Lied über die Schlacht am Amselfeld und das Lied König Lazars in der
Volksliedersammlung von Vuk Karadžić sind sehr erhellend. Mir ist klar, dass Sie besser als jeder andere wissen, dass vor König Lazar die Entscheidung lag, entweder das himmlische Königreich царство небесное oder das irdische Königreich царство земаљско zu gewinnen. In beiden Fällen muss er kämpfen. In beiden Fällen müssen die Serben zum Amselfeld kommen und an der Schlacht teilnehmen. Und jede Familie die ihre Teilnahme verweigerte, war verdammt. Das war die Verdammung König Lazars. Es muss also jeder den logos verteidigen. Jedoch wurde die Entscheidung getroffen die irdische Schlacht zu verlieren und den Krieg des Lichts zu gewinnen, was jedoch bedeutete, den Tod am Amselfeld zu erleiden, anstatt auf Erden zu obsiegen und den Kampf des Lichtes zu verlieren. Hier finden wir die iranische Tradition wieder, dass die Armee des Lichts schwach ist. Dies liegt daran, dass es einen Zeitpunkt für das Licht gibt an dem es die Dunkelheit überwindet und sie besiegt, wodurch die Armee des Lichtes bestimmten Begrenzungen unterworfen wird, da sie nicht mit den Waffen der Dunkelheit kämpfen können.

Sie kann nicht ihr heiliges Wesen verraten und bunterliegt Begrenzungen, da das Böse und die
Dunkelheit keinen Gesetzen unterworfen sind. Es ist die Hybris, welche es den titanischen Mächten
einfach macht die natürlichen Grenzen zu überwinden. Doch die Armee des Lichts unterliegt dem
Gesetz und kann nicht um jeden Preis siegen. Sie muss an der Seite Christus bleiben, auf der
Seite der Vertikalität bis zum Ende. Und genau das war die Wahl König Lazars und die
Entscheidung die er getroffen hatte – „Ich werde gegen die Osmanen kämpfen und die Niederlage
akzeptieren. Ich opfere mich selbst und mein Volk, um das himmlische Königreich zu erringen.“
Das war also die Entscheidung des Helden des Lichtes. Es war die Transzendierung des
Nemanjidenreiches und die Annahme einer Dimension jenseits des Menschlichen und jenseits des
Todes durch den serbischen logos. Das war reines Märtyrertum und die reine Aufopferung aller
serbischen Menschen, um das himmlische Königreich zu erhalten.

Wir haben es hier also nicht mit einer Niederlage zu tun, sondern mit dem größtmöglichen Sieg.
Dies spiegelte sich in der sarmatischen Ethik wider – entweder in der Schlacht zu sterben um
unsterblich zu werden, oder zu sterben um zu siegen. Es ist besser mit Christus besiegt zu werden,
als mit dem Teufel zu gewinnen. Das war die eigentliche Lehre aus der Schlacht am Amselfeld. Und
wenn wir das Lied über die Schlacht am Amselfeld lesen, finden wir dort keine Glorifizierung der
Serben vor, sondern nur die Beschreibung ihrer Demut als größte Tapferkeit. Sie kämpften bis zum
bitteren Ende. Sie töteten alle Feinde, derer sie habhaft werden konnten, den Anführer der
Osmanischen Armee miteingeschlossen. Es war also eine heroische, sehr ernste Schlacht. Aber die
Entscheidung war bereits vor der Schlacht getroffen worden. Sie war eine rein christliche, rein
sarmatische, rein indoeuropäische Entscheidung und nichts gewöhnliches, keine Niederlage im
Angesicht materieller Gewalt und Macht. Das ist also die Himmelsfahrt Serbiens, vom irdischen
Serbien zum himmlischen Serbien, die die Erfüllung der katehonischen Mission darstellt. Sie
bestand im Kampf gegen den Antichristen und der Niederlage. Und so kam das Ende.

Danach bestand die nächste Phase der serbischen Geschichte darin, in der irdischen Hölle zu
schmoren und die eigene Identität in der Hölle zu bewahren. Nicht darin sie zu betrügen, zum Islam
zu konvertieren, sich den Regeln der herrschenden Macht zu fügen, sondern seine
Nemanjidenidentität zu bewahren, die eigene tiefe Identität zu erhalten, seine christlich-orthodoxen, slawische Identität, mit all dem Leiden das damit einhergeht. Dies war eine Geschichte des Leidens, des Seins in der geschichtlichen Hölle für einen Zeitraum von Jahrhunderten. Das war also ein sehr dramatischer Abschnitt im Dasein der Serben, aber er war nicht bedeutungslos. Es war die Fortsetzung und Konsequenz ihrer glanzvollsten Periode in der Geschichte und ein neuer göttlicher Test für das serbische Volk und damit die Voraussetzung für seine Wiederauferstehung. Es war der Tod, um wiederauferstehen zu können, also kein bedeutungsloses Leiden. Es war ein in jeder Hinsicht bedeutungsvolles Leiden, genauer gesagt ein eschatologischer Test um
Wiederaufzuerstehen, genauer gesagt um den serbischen logos wiederbeleben zu können.
Der nächste Moment im serbischen logos war genau der Augenblick, als sich die Gelegenheit ergab
das serbische Volk von der osmanischen Besatzung zu befreien. Das war eine neue Herausforderung für den serbischen logos. Und was taten die Serben in dieser Situation? Einerseits besannen sie sich ihrer Tradition. Diese war gewissermaßen monarchistisch, imperial, orthodox, serbisch, patriotisch und archaisch. Sie bewahrten also die Bestandteile des echten und tiefen serbischen logos der in direkter Beziehung mit dem serbischen Dasein selbst stand, dem Kern dieses Daseins. Dies war möglich eben weil es eine Art orthodox-serbische imperiale Tradition gab, welche bis zum Ende der osmanischen Herrschaft fortexistierte. All das war eine außergewöhnlich große Inspiration für das serbische Volk und zeigte auf, was in ihm schlummerte. Aus einem Teil der serbischen Aristokratie traten Obrenović und Karađorđević hervor und versuchten, diesen Geist und diese Identität sich einzuverleiben um das serbische Königreich wiederherzustellen, Großserbien mit der serbisch-orthodoxen Identität, dem logos nach dem Vorbild der Nemajiden, um den serbischen logos nach diesem traumatischen Leidensweg wiederauferstehen zu lassen.

Aber es war genau während der Moderne, als dieser Adel erschien, das Osmanische Reich zerstört wurde und der kybelische logos dominierte sowie der Westen bereits komplett von dieser modernen Weltsicht dominiert wurde, es also keinen Platz mehr für den apollinischen logos, die christliche Tradition, das Reich, Königtum oder kriegerisch-heroische Werte gab. All dies war im Westen bereits entweder diskreditiert oder zerstört worden. Daher versuchten die westlichen Mächte die gegen die Osmanen kämpften, den Willen des serbischen Volkes dazu zu nützen, seine Identität wiederherzustellen, um diese als Werkzeug zu benützen damit das traditionelle Osmanische Reich zerstört werden kann, das österreichische Reich zu vernichten und Russlands Expansion auf dem Balkan zu verhindern. Daher organisierten sie Freimaurerstrukturen in Serbien, bildeten die serbischen Nationalisten im republikanischen Geiste und versuchten darüber hinaus auch, sich in den Prozess der Befreiung einzumischen, um ihre nationalistische (die Dritte Politische Theorie), ihre liberalistische Weltsicht (Erste Politische Theorie) und danach mit Tito schließlich die Zweite Politische Theorie vorzuschlagen. Alle drei politischen Theorien waren eine Art Netzwerk, welches über die serbische Identität gelegt wurde, aber keine Verbindung zu dieser besaß. Das Ziel dieses Netzwerk war es die serbische Identität nicht in einem ordentlichen Sinne wiederzubeleben, sondern zu lähmen und die serbische Energie sowie die katehonische Wiederbelebung in andere Bahnen umzulenken.

Innerhalb der serbischen Befreiungsbewegung waren jedoch viele logoi vorhanden. In ihr gab es
einerseits die tiefe katehonische Nemanjidenidentität, welche den reinen serbischen logos darstellte. Es gab auch Einfluss aus Westeuropa. Und dann gab es den pragmatischen Einfluss Russlands und seines orthodoxen Reiches, ein der serbischen Tradition gegenüber sehr freundlich eingestellter logos, der aufgrund pragmatischer Gründe eine Affinität für das Dritte Rom und Moskau, aber auch für die Opposition gegen die Westmächte teilte. Es gab eine Art abweichende Form von dem was ich Archeo-Moderne nenne. Die Archeo-Moderne ist nicht das selbe wie die Moderne im Westen. Genauso wie im Westen gab es eine Tradition und das Schwächerwerden der Tradition zog den Aufstieg der Moderne nach sich (also herrschte entweder die Tradition oder die Moderne). Die Archeo-Moderne ist aber der Modus der Koexistenz zwischen Tradition und Moderne auf einer sehr schlechte und kranke Art. Entweder habe Sie etwas oder Sie haben sein Gegenteil, entweder Sie haben Tradition oder Moderne. Dies war der Fall beim Beispiel Westeuropa. Aber in Russland und Serbien war es die Archeo-Moderne. Sie treten gleichzeitig für Modernisierung und für archaische Wurzeln ein. Sie sind gleichzeitig für Modernisierung und für archaische Wurzeln. Dies führte zur Erschaffung einer Art schizophrenen Gesellschaft. Die russische Gesellschaft nach Peter dem Großen ist rein archeo-modernistisch und schizophren.

Ich gehe davon aus, das auch etwas ähnliches hier produziert wurde. Der serbische logos nach dem
Ende des Osmanischen Reiches war schizophren und archeo-modern, da die legitimen Ansprüche
auf die Wiederherstellung des serbischen logos mit der modernen republikanisch-liberalistisch-sozialistisch-nationalistischen Tradition vermischt wurden. Dadurch wurden beide blockiert, weil sie zwei unterschiedliche logoi waren. Die Moderne ist mit dem logos der Kybele deckungsgleich und der innere serbische logos mit dem logos des Apoll und dem logos des Dionysos. Das war also der tiefe noologische Widerspruch der nicht bemerkt, nicht als solcher akzeptiert und nicht geheilt wurde, wodurch eine kranke Gesellschaft erschaffen wurde, denn die Archeo-Moderne ist eine kranke Gesellschaft. Das ist auch der Fall bei vielen anderen Gesellschaften. Aber der Unterschied zwischen der westlichen Gesellschaft und der archeo-modernen Gesellschaft ist genau jener, dass die Moderne in Europa logisch in die Gesellschaft eintrat und dabei der aristotelischen Logik folgte (Moderne oder Tradition. Wenn Sie an einem Platz etwas modernes haben, darf dort nichts traditionelles existieren.) Deswegen zerstören Sie zum Beispiel die Monarchie und installieren eine Republik. Und das war das selbe, wie die Wahl zwischen Kirche und Atheismus. In der archeomodernen Gesellschaft koexistierten Atheismus und Kirche, Republik und Königreich, Tradition und Moderne auf eine sehr schlechte Art und Weise ohne einander zu kommentieren. Dies schafft eine zweifach interpretierbare Lesart, alles wird doppelt. Es ist eine rein bipolare Krankheit, denn wenn Sie etwas sehen, interpretieren Sie es jedes Mal auf zwei gegensätzliche Arten gleichzeitig. Es gibt also Demokratie und Nicht-Demokratie. Demokratie und Diktatur sind dann das selbe. Das ist nicht dionysisch, sondern wir bezeichnen es nach den Begriffen von Gilbert Durand als mystisch-nokturn. Sie sehen ein Ding und nennen es bei einem ganz anderen Namen. Das ist deswegen eine schizophrene Haltung, weil sie eine Spaltung in der Persönlichkeit verkörpert. In Westeuropa hingegen gab es eine klare Persönlichkeit: Entweder nehmen Sie die Moderne an oder die Tradition.

In unserer Gesellschaft hingegen gab es die Archeo-Moderne. Sie akzeptieren beides. Der serbische logos und der Liberalismus oder Kommunismus oder Nationalismus gehören jeweils komplett unterschiedlichen Zusammenhängen an, ohne es zu bemerken. Dabei handelt es sich um keine bewusste, sondern um eine unbewusste Lüge. Wir haben es mit einer bewussten Lüge zu tun, wenn wir die Wahrheit wissen und diese verbergen, aber mit einer unbewussten Wahrheit, wenn wir die Wahrheit nicht kennen und uns nicht um sie kümmern. Wir lügen also, weil wir überhaupt kein Interesse an der Wahrheit haben. Das ist die Archeo-Moderne und ich gehe davon aus, dass am  Ende des Osmanischen Reiches und dem Beginn des modernen Serbiens genau dieses Element – diese Mischung zwischen Tschetniks, zwischen Kommunisten, zwischen Liberalen, zwischen Freimaurern, zwischen Traditionalismus, zwischen Orthodoxen Popen und all dem, dass diese Mixtur komplett archeo-modern war ohne klar definierte Trennlinien.

Genau das war die Erschaffung Jugoslawiens. Zunächst bestand Jugoslawien aus zwei
gegensätzlichen Lesarten der selben Sache. Die Mehrheit der Serben sah in ihm die
Wiederherstellung von Großserbien und das war so bis zum Ende der Karađorđevićherrschaft die
alle anderen zu Reaktionen provozierte (zuallererst natürlich die Kroaten). Genauso sahen die
Serben Jugoslawien. Für sie war es die Herrschaft der Serben, die Wiederbelebung Großserbiens
und die Rückkehr zur Nemanjidendynastie unter neuen Umständen, aber gleichzeitig handelte es
sich dabei um eine Republik mit einer gänzlich modernistischen Ideologie, dem Ausbalancieren der
Interessen und dem bourgeoisen Typ im Zentrum. Das materialistische, händlerische und
egoistische Element dominierten also im nationalistischen und liberalen Sinne. Darin bestand die
archeo-moderne Mischung der Gesellschaft. Und genau darin lag der Grund für das
Missverständnis der Bestandteile Jugoslawiens. Diese waren ihrem Wesen nach kein
Internationalismus, kein reiner Liberalismus, kein Reich, keine Konföderation, sondern etwas
archeo-modernes.

Und jeder Pol im frühen Jugoslawien hatte seine eigene Lesart davon, was passierte. Für die Serben
war es ein Sieg und auch für die radikalen Tschetniks stellte es eine Rückkehr zu den Wurzeln dar,
eine Art Erfüllung der Aufgabe der katehonischen Tradition. Für die anderen war es eine
konventionelle, multinationale Konföderation die aus rein pragmatischen, materialistisch und bürgerlichen Gründen organisiert wurde. Es gab eine Vielzahl von Lesarten Jugoslawiens. Einerseits als das Ende der deutschen Besatzung und den Kampf zwischen zwei Mächten: Kommunistischen Partisanen und Tschetniks, den monarchistischen Partisanen. In genau diesem Kampf wurde die Zukunft Jugoslawiens nach dem Zweiten Weltkrieg festgelegt. Und der Sieg der Sowjetunion über das Naziregime war der Grund dafür, warum die Zweite Politische Theorie in Osteuropa und auch Jugoslawien herrschte.

Das neue Jugoslawien gründetet also auf der Zweiten Politischen Theorie, gleichzeitig war aber
diese neue Lesart davon was Jugoslawien ist, mit ihrem Marxismus der konkreten Entwicklung der
ländlich-bäuerlichen Gesellschaft Serbiens mit ihrer archaischen Tradition, ihren teilweise
modernisierten Städten, vollkommen fremd und dies war nun eine neue Fassung der Archeo-
Moderne, in der die reine Form des serbischen logos verboten worden war. Dieser wurde verdrängt,
als dissident betrachtet und die Tschetniks schließlich als Konterrevolutionäre verfolgt. Die rein
orthodoxe Fassung des serbischen logos war also verboten worden. Darauf folgt die Herrschaft der
Zweiten Politischen Theorie, des Marxismus, die absolut kybelisch war und genau das war das neue
Jugoslawien.

Als die Zweite Politische Theorie jedoch in der Sowjetunion zu wanken begann, hatte das auch
Auswirkungen auf Jugoslawien und mit Milosevic tauchte die serbische Lesart Jugoslawiens wieder
auf. Es handelte sich dabei also um eine nationalistische Reaktion, die weder philosophisch klar
war, noch sich selbst erklärte. Aber dieser serbische Kampf um Jugoslawien war intuitiv der Kampf
um die katehonische Interpretation des serbischen Staates. Das war auch die Größe des Kampfes der Serben um die Republik Srpska, die serbische Krajina, Knin, Slowenien, die Baranya und
Westsyrmien und zuletzt auch der Kampf um den Kosovo gegen die Albaner. Die Serben unter
Milosevic betrachteten also Jugoslawien unbewusst als katehonische Entität, ohne es klar
auszusprechen, ohne es zu erklären. Und er sprach all das in einer plumpen Sprache aus, die er
jeweils an die kommunistische, nationalistische und westlich-liberale Agenda anzupassen versuchte.
Dies war die archaeo-moderne Version des serbischen logos. die besiegt wurde. Doch wie jede
Niederlage eines logos trägt auch sie etwas positives in sich. Wie die Schlacht auf dem Amselfeld
handelt es sich hierbei um einen Kampf für das Licht. Jeder serbische Held, der sein Leben für die
Verteidigung Jugoslawiens gab, hat sein Leben für die Sache des logos des Lichts geopfert, für eine
zutiefst katehonische Mission. In ihrem Fall gab es keine Vereinbarung, das war der Fehler. Sie war
der eindeutige Durchbruch zur Realität der serbischen Identität. Sie haben ihr Blut und ihr Leben
für diese serbische Identität gegeben, die nicht einfach spurlos verschwinden konnte. Das war die
Fortsetzung der Schlacht am Amselfeld, die Fortsetzung des serbischen Wegs durch die Geschichte.
Und dies war die Vorbereitung der Zukunft auf eine echte eschkatologische, katehonische serbische
Zukunft.

Danach kam es durch den Verrat Russlands, welches sich in den 1990er Jahren und danach selbst
verraten hatte, zu einer Art eigentlichem Moment des serbischen Staates. Diese Niederlage wurde
von der Gesellschaft, dem Staat und dem serbischen Volk anerkannt. Russland konnte keine echte
Alternative zur Modernisierung oder Verwestlichung anbieten. Dort ist es die Erste Politische
Theorie, die jetzt im rein kybelischen Sinne herrscht. Aber wo befindet sich jetzt der serbische
logos? Ich gehe davon aus, dass er hier ist. Er ist im serbischen Volk, der serbischen Identität, dem
serbischen Raum und in der serbischen Kultur. Und nachdem er diese Niederlage erlitten hatte,
muss man diese Niederlage zuallererst verstehen und entschlüsseln, man muss ihn richtig
interpretieren, um in der serbischen Geschichte voranschreiten zu können, denn das Problem
welches wir jetzt mit dem serbischen logos konfrontieren, ist fast das selbe, das wir in anderer Form
mit dem apollinischen logos oder dem dionysischen logos im apollinisch-dionysischen Sinn haben.
Es gibt also diesen riesigen planetarischen Kampf, der von fast jedem verloren worden ist.

Vielleicht haben wir Russen die Vorstellung, dass wir noch immer Widerstand leisten oder die Syrer
und die Iraner noch immer Widerstand leisten. Aber die Macht welche die Serben übermannt hat,
besteht nicht nur aus den Vereinigten Staaten, sondern ist etwas tieferliegendes. Diese Situation
sollte keinen Anlass zur Verzweiflung darstellen. Denn die Macht der Kybele und die Rückkehr der
Großen Mutter stellt gewissermaßen die Ankunft des Antichristen dar sowie die Befreiung Satans
aus dem Abgrund, die von Gott geplant und zugelassen wurde. Und das ist der letzte Test. Ich
denke, was den serbischen logos anbelangt ist es nun nicht an der Zeit den Staat oder die
Gesellschaft anzuklagen, oder die Russen und den Westen weil sie das tun was sie tun, sondern jetzt ist es an der Zeit, sich auf die Kultivierung des logos zu konzentrieren, weil es sich hierbei um die geplante letzte Prüfung handelt, vielleicht die letzte. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht wird es
noch eine weitere Prüfung geben, noch einen zusätzlichen Kampf, noch eine weitere Chance, Sie
als Serben haben ja zwei Chancen: Die Gründung des ersten Jugoslawiens und den Kampf
Milosevics mitsamt der nationalistischen Erneuerung. Doch beide Chancen wurden vertan, beide
wohlgemerkt, aber vielleicht wird es noch eine neue geben.

Solange es eine lebendige Tradition gibt, solange es ein lebendiges serbisches Dasein gibt, muss es
eine Analyse anfertigen, warum diese beiden Chancen vertan wurden und wie wir es verhindern
können, den Fehler der anderen zu wiederholen, wie man die reine Form des serbischen logos
gegen diesen Angriff verteidigen kann, denn jetzt ist noch nichts zu Ende. Wenn es also Serben gibt, gibt es ein serbisches Dasein, dort ist der serbische Staat. Das ist bereits etwas. Vielleicht ist es
etwas schwierig in der gegenwärtigen Situation, aber es ist da. Und das ist von besonderer
Wichtigkeit. Das ist bereits etwas das man als Gelegenheit nützen kann, nicht als Reaktion, nicht als
Antwort, sondern als einen positiven serbischen Wert. Das serbische Volk, die serbische Tradition,
die serbische Kultur, das serbische Erbe, der serbische Staat, die serbische Kirche, das serbische
Christentum. Wir besitzen also bereits viele Dinge und deswegen befinden wir uns in einem
geistigen Kampf, nicht in einem materiellen Krieg. Es lässt sich nicht in materiellen Aspekten
vergleichen. All das ist sekundär. Wenn wir diesen geistigen Kampf kämpfen, werden wir alles
gewinnen. Wenn wir ein serbisches Herz gewinnen können, können wir alles gewinnen. Der Kampf
ist vorbei und das ist der Sieg. Das ist also der Kampf um den Menschen, der unmenschlich wird.
Das ist keine materialistisch-atomistische Konfrontation zwischen den Massen der Materie. Es gibt
den menschlichen Geist und innerhalb von uns findet dieser Kampf statt und der logos ist in uns
drinnen. Es geht hier nicht um etwas, das uns von außen aufgezwungen wird. Denn wir sind der
logos und der logos wirkt durch uns. Und der serbische logos handelt und lebt immerwährend oder
vielleicht auch nicht immerwährend und hält bis ans Ende der Zeit.

Ich denke also, dass das serbische Volk dazu auserwählt wurde, seine Identität bis ans Ende der Zeit
zu bewahren und im letzten Augenblick der Geschichte an der Seite Gottes, Christus und dem logos
des Apoll sowie der Vertikalität wieder zu erscheinen, um an der universalen Schlacht am
Amselfeld teilzunehmen und das universale Reich des Lichts zu erschaffen, das Reich Christi,
dessen Präfiguration das Nemanjidenreich und Dušan der Mächtige waren. Das ist also meine
Ausführung zum serbischen logos. Und wir müssen sagen, dass auch Jugoslawien und das moderne
Serbien ein Simulacrum des wahren Serbiens waren und sind, das ist offensichtlich. Das
Simulacrum aber ist archeo-modern. Es ist teilweise archaisch und teilweise eine pervertierte
Karikatur. Wir müssen also das Problem des Simulacrums lösen und die Authentizität sowie den
reinen Zustand dessen, was kein Simulacrum ist und sich hinter dem Simulacrum versteckt,
wiederherstellen. Wir müssen also daraus das Korn Wahrheit extrahieren.

Kommentar verfassen