Einführung in die Noomachie (Fünfte Einheit) – Der logos des Dionysos
Von Alexander Dugin
Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Markovics
Von der geosophischen Perspektive aus verstehen wir nun besser, was der logos des Apoll und der logos der Kybele im konkreten Sinn und im Sinne der Kulturen und Existenzhorizonte bedeuten. Wir sprechen nun also nicht im allgemeinen Sinne, sondern im konkreten ethnosoziologischen, historischen, soziologischen und ökonomischen Sinne über den logos des Dionysos. Wir haben den Moment in der europäischen Geschichte fixiert, der die wesentliche Struktur der europäischen Noomachie definiert, der europäischen geschichtlichen Sequenz der Ereignisse. Der Schlüssel zur Interpretation der europäischen Geschichte in ihrer ontologischen und existenziellen Dimension liegt darin, dem Prozess der Noomachie zu folgen und ihn zu beobachten, wie sich die Interaktion zwischen den zwei entgegengesetzten Existenzhorizonten durch die historischen Epochen, Ären und Zyklen entwickelt hat. Wir besitzen bereits ein Leseschema zur hermeneutischen Interpretation der europäischen Geschichte, weil wir erkannt haben, dass es auf der gegenseitigen Reinterpretation derselben symbolischen, mythologischen, religiösen und kulturellen Strukturen von zwei gegensätzlichen Perspektiven aus gründet. Das ist die Noomachie in ihrer reinsten Form. Der logos der Kybele versucht dieselbe Figur zu reinterpretieren bzw. seine eigene Figur im Zusammenhang der Mischzivilisation aufzuzwingen. Dies ist eine Art Kampf um das soziale Geschlecht der Gottheit, weil sie entweder aus der materialistischen kybelischen Perspektive oder spirituell, patriarchalisch, himmlisch, vertikal und in ihrem ursprünglichen indoeuropäischen Sinn interpretiert werden kann.
Wir finden hier das Schlachtfeld der europäischen Geschichte vor, welches zwischen den zwei logoi verläuft und nach einem Aufeinandertreffen verlangt, es ist der Schnittpunkt zwischen den beiden Existenzräumen. Dieses Schlachtfeld erschafft eine Art neuer Struktur, einer dritten Struktur, weil der logos des Apoll in seiner reinsten Form von der turanisch-nomadischen Gesellschaft repräsentiert wird. Der logos der Kybele wiederum wird von der agrarischen, matriarchalen, sesshaften Gesellschaft repräsentiert. Aber nun wird eine neue Dimension erschaffen, die genau das Feld und der Raum des Dionysos ist, wo das patriarchale Konzept des Mannes in die Tiefen der Materie hinabsteigt. Was zum Himmel gehört geht zur Erde hinab und steigt schließlich ins Zentrum der Unterwelt hinunter. Dionysos wurde als Zagreus zum König der Hölle in einem griechischen Mythos. Es gibt also eine Art Differenzierung dieser apollinischen Struktur. Der reine Apoll hat keinen direkten Kontakt mit der Materie des logos der Kybele. Er verharrt außerhalb von ihm und bleibt absolut unberührt. Er gehört dem Himmel, dem Tag und dem Licht an. Er hat keinen Kontakt, er ist rein.Apolls Orden, ist der Orden des Vaters, der Reinheit, des logos, der logischen und metaphysischen Strenge. Es gibt ein Gesetz des Himmels, der platonischen Ideen und der Sterne. Aber wenn die Sonne vom Himmel auf die Erde hinabsteigt, beginnt eine neue Dimension, die Ebene des Dionysos. Das ist ein komplett neues Feld der Realität. Ein neuer logos erscheint. Er könnte als eine Art Resultat des Aufeinandertreffens betrachtet werde oder als das Schlachtfeld zwischen den zwei logoi, aber Schritt für Schritt könnte man ihn genauso gut als etwas Autonomes ansehen, dass nicht das Produkt des Aufeinandertreffens der zwei logoi ist, sondern der dritte logos als solcher.
Wir können dies nicht in der europäischen Kultur erkennen, aber dafür in anderen Kulturen. Beispiele dafür sind die chinesische Kultur und die Pygmäen in Afrika. Chinesen und Pygmäen besitzen die dionysische Gesellschaft im reinsten Sinne und nicht als Ergebnis der Überlagerung zweier Existenzhorizonte, sondern als etwas Eigentümliches und Autonomes. Wir müssen diesen logos erhalten. Warum sprechen wir über drei logoi und nicht über zwei? Weil die Wahrscheinlichkeit besteht, dass wir in einigen Gesellschaften (nicht in der indoeuropäischen Gesellschaft sesshaften oder nomadischen Typs) Strukturen haben, welche auf der absoluten Dominanz des dionysischen logos gründen. Aber im Fall der indoeuropäischen Kultur handelt es sich hierbei immer um ein Schlachtfeld. Dionysos ist ein Schlachtfeld (in anderen Gesellschaften muss er das nicht notwendigerweise sein). Wir müssen das berücksichtigen, um besser zu verstehen, wer Dionysos ist. Aber in der indoeuropäischen Gesellschaft haben wir es genau mit diesem Krieg zwischen dem logos des Apoll und dem logos der Kybele zu tun. Im ethnosoziologischen Sinne wird es durch die fundamentalen Ereignisse und Prozesse übersetzt, welche sich auf dem Feld der dritten indoeuropäischen Funktion (den Viehzüchtern) entwickelten, wo eine Synthese zwischen der Viehzüchtern und Hirten des turanischen, rein indoeuropäischen Existenzhorizonts und der sesshaften, agrarisch-matriarchalischen Gesellschaft stattfanden. In diesem Segment der Gesellschaft, der europäischen Bauernschaft, war der besondere Raum des Dionysos. Dort sind das Feld und das Königreich des Dionysos. Es ist das Königreich der Landwirtschaft. Dionysos ist der Gott der Landwirtschaft und des Weines, aber auch der Gott des Opferstiers und der Kuh. Und in den Mysterien und insbesondere den Eleusinischen Mysterien wird er immer von Demeter begleitet, einer neuen Figur. Dionysos und Demeter sind beide Götter und Figuren der Landwirtschaft. Sie sind ein sehr wichtiges Paar, dass eine immens wichtige Rolle in den Eleusinischen Mysterien spielt. Die Eleusinischen Mysterien waren die Mysterien des Weines und des Brotes. Die Weinreben wurden durch Dionysos repräsentiert und die Weizenähren durch Demeter. Dieses Paar bestehend aus Mutter, himmlischen Sohn und patriarchalen Samen, der nicht aus ihr geschaffen, sondern in sie eingepflanzt wurde, ins Zentrum der Erde, um wiederaufzuerstehen, um wiederbelebt zu werden, um zurückzukommen. Das war eine ganz neue Version der Landwirtschaft, des patriarchalen Verständnisses der Landwirtschaft.
Demeter ist nicht die gleiche Figur wie Kybele. Sie stellt ein komplett anderes Verständnis dessen dar, was die Mutter Erde ist. Dies ist das Konzept der patriarchalischen Interpretation der Mutter Erde. Es ist die Mutter Erde von oben und nicht vom Erdinneren aus gesehen. Sie ist epichthonisch und keine chthonische Göttin, wobei epichthonisch über der Erde bedeutet, sie stellt das Feld dar. Demeter ist die Mutter des bestellten Feldes, auf den Himmel hin vorbereitet und ausgerichtet, offen für die Einflüsse des Himmels. Das ist die Figur der Großen Mutter, welche die Transzendenz anerkennt, das transzendente Prinzip des Himmels und des Vaters. Und sie ist gleichsam die unterworfene und domestizierte Mutter. Sie ist die Mutter im patriarchalischen Sinne, eingebettet in die patriarchalische Gesellschaft und unter genau diesen Bedingungen, wie etwa in der Landwirtschaft, akzeptiert. Dies bedeutet ein Abgehen von Kybele zu Demeter, eine sehr wichtige Wende. Es ist die Verschiebung von der wilden Mutter zur domestizierten Mutter, von der Mutter, welche autonom die Welt erschafft zur Mutter, welche dem Samen des Vaters beim Wachsen hilft. Dies ist ein anderes Konzept des femininen Prinzips der Frau, welches hier intakt ist. Dionysos ist Sohn, Liebhaber und Ehemann, zugleich ist er der Vater der Demeter. Das sind gänzlich neue Beziehungen. Und hier sehen wir in diesem Paar der Eleusinischen Mysterien Griechenlands, aus der Region Thrakien (und ich werde erklären, warum die Region Thrakien so wichtig ist und es zum Teil auch serbisches Territorium umfasst), dieses Mysterium des Wandels von einem rein kybelischen Existenzraum innerhalb der Bauernschaft zum patriarchal-demetrischen Raum der gemischten indoeuropäischen Agrargesellschaft, erklärt. Und genau hier erscheint Dionysos als ganz neue Figur, der weder Apoll, noch Attis aus dem kybelischen Zyklus ist. Er ist die neue Figur der immanenten Transzendenz – etwas, das vom Himmel hinabsteigt, um zum Zentrum der Erde zu gehen und danach die Erde von ihrem Chaos, ihrer Schwere oder diesem kybelischen Aspekt zu retten. Das ist die Reinigung der Erde durch den Wein. Das Mysterium des Weins ist ähnlich dem Mysterium des Blutes Gottes, welches ins Zentrum der Erde hinabgestiegen ist, um die Welt zu retten, die Materie an sich.
Der Wein des Dionysos ist als eine Art Freiheit von der Großen Mutter zu verstehen. Die Freiheit ist möglich und Dionysos ist ein Zeichen der Freiheit. Die Rückkehr ist möglich. Die Freiheit ist möglich. Der Himmelsfahrt ist möglich. Wir können sterben, aber wir sollten aufsteigen wie Dionysos. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, diese transzendente Dimension zu berücksichtigen, welche im Zusammenhang der agrarisch-matriarchalischen Gesellschaft und ihrem Existenzhorizont installiert wurde. Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt im Zyklus der Mythen und Riten, die um Dionysos angeordnet sind. Es gab bakkantische Gruppen von Frauen, den Anhängern Dionysos und einen Augenblick, in dem die Bakkanten von Dionysos gerufen wurden. Dies war eine Art stille Stimme, welche nur die initiierten, bakkantischen Frauen hören konnten. Und dieser Ruf beorderte sie in die Berge. Die Bakkanten wurden verrückt und von der Raserei erfasst in dem Moment, in dem sie Dionysos hörten und rannten wie von der Tarantel gestochen durch die Felder und Wälder, wobei sie alles und jeden entzwei rissen, dem sie auf ihren Weg trafen, um die Höhle des Dionysos zu erreichen, weil dieser Schrei ihnen bewusst machte, dass Dionysos lebt. Dieser verrückte Zustand des Geistes war der matriarchalischen Orgie sehr ähnlich, nur mit einem außerordentlich wichtigen Unterschied, nämlich der Erscheinung einer transzendenten männlichen Figur. Dies war das profunde Gefühl der Existenz und der Ankunft eines männlichen Erlösers. Dies lag nicht in der autonomen Schöpfung des weiblichen Androgynen, Agdistis, wie im Zyklus der Kybele. Die war eine Art Erscheinung des transzendenten Samens der nicht Teil der Großen Mutter war. Somit traf der weibliche Wahnsinn auf die echte transzendente männliche Figur, was sich zur Gänze von der bisherigen orgiastischen Tradition unterschied. Und dieses Aufeinandertreffen mit dem transzendenten vertikalen Aspekt ist die Essenz von Dionysos‘ Schrei.
Es ist sehr interessant, dass wir in der indoeuropäischen Tradition Dionysos nie in seinem reinen Zustand erblicken. Wir sehen Dionysos immer nur als Bruder des Apoll, als Träger des Lichts. Wir interpretieren also die Figur des Dionysos und den dionysischen logos von der apollinischen Perspektive aus – wir haben keinen anderen Dionysos. Es gibt nur einen Dionysos in unserer Tradition, den Dionysos des indoeuropäischen Existenzhorizonts. Aber es gibt immer die Möglichkeit, diese Figur aus der Perspektive der Kybele neu zu interpretieren. Kybele versucht diese kommende männliche Figur, dieser transzendenten patriarchalen Figur, aus ihren altertümlichen, matriarchalischen Perspektive aus zu interpretieren und Dionysos durch Attis zu ersetzen. Adonis war die Figur des matriarchalischen Zyklus von Attis. Und diese kleine Änderung der Bedeutung stellte alles auf den Kopf. Aus diesem Grund war und ist Dionysos das Schlachtfeld zwischen den zwei logoi im indoeuropäischen Zusammenhang. Die indoeuropäische Lesart des Dionysos war apollinisch, aber sie geschah in einem gefährdeten Raum wo die Macht der Großen Mutter und ihre Hermeneutik ausgesprochen groß war. Und dies ist auch einer der Gründe dafür, warum es keine besonderen Riten oder Mythen gab, die nur Dionysos gewidmet waren, denn die Mehrheit der Riten, Prozessionen, Mythen und Figuren des Dionysos wurden aus den besonderen Kulten und Praktiken der Großen Mutter entliehen. Dies wird zur Gänze in zwei Büchern beschrieben, welche ich Ihnen empfehle zu lesen. Karl Kerenyi: „Dionysus: Urbild des Unzerstörbaren“ und „Dionysisch und Vor-Dionysisch“ von Vyacheslav Ivanov, welches es nur in russischer Sprache gibt. Als Karl Kerenyi (ein ungarischer Schriftsteller und Freund von Mircea Eliade, der ebenfalls ein sehr profunder Kenner der Materie und interessanter Autor ist) versuchte die Quellen des Dionysoskultes offenzulegen, kam er zu dem Schluss, dass es vor der Figur des Dionysos etwas gab das, ihm sehr nahe kam, aber in einem ganz anderem Zusammenhang stand. Dieser war ein matriarchaler Kult mit fast genau denselben Prozessionen, denselben Riten in der Höhle, den Bakkanten, dem Wahnsinn, den Orgien, aber ausschließlich matriarchalisch. Dies ist der wichtigste und interessanteste Punkt. Im Feld der Riten, Kulte, Legenden und Mythen des Dionysos finden sich die Wurzeln in matriarchalischen Traditionen, welche durch den kommenden neuen indoeuropäischen Existenzhorizont umgewandelt wurden.
Der Kult und der logos des Dionysos waren der logos, die Struktur und der Kult der Großen Mutter, welche durch den Abstieg des transzendenten patriarchalen Prinzips umgewandelt wurden. Daher waren alle Symbole des Dionysos prä-dionysisch und matriarchalisch. Manchmal erschien er als Schlange. Manchmal wurde er von Satyrn umringt, die halb Mensch, halb Tier waren. Sie waren normale Partner der Großen Mutter. Und auch diese Prozessionen des Dionysos stellten Fortsetzungen der Prozessionen der Großen Mutter dar, mit denselben Riten und demselben Symbolismus. Dies stellt also eine interessante Art der Eroberung des Reichs der Mythen durch die Indoeuropäer dar. Es war eine Eroberung und innere semantische Transformation. Die Indoeuropäer haben nicht nur den physischen Raum oder die Dörfer oder Völker erobert, sondern auch den Raum des Mythos. Sie eroberten genauso die Kultpraktiken und transformierten semantisch alle Figuren, welche Kybele umringten, alle Symbole und alle Zeichen sowie alle Ehrungen mitsamt dem Kult in die Figuren der Demeter und des Dionysos. Diese Umwandlung war also auch eine Eroberung. Die Indoeuropäer waren Eroberer, welche sich den Raum aneigneten, zu dem sie nicht gehörten, weil in der turanischen Lebensart solche Dinge unbekannt waren. Sie nahmen ihn, eroberten ihn und zwangen ihm ihre Lesart auf. Dies stellte eine Art Angriff auf diesem neuen Feld durch die indoeuropäische Zivilisation dar.
In der neoplatonischen Tradition wurde Dionysos im metaphysischen Sinne als Geist dargestellt. Der Hauptmythos war jener, in welchem die Titanen Dionysos auseinandergerissen hatten. Dionysos spielte als kleines Kind auf dem Olymp und wurde von den Titanen angegriffen, auseinandergerissen und verspeist, da diese ihn töten mussten, um den Olymp zu erobern. Die neoplatonische Interpretation sieht in Dionysos einen Geist, der in jedem Menschen als eine Art Funken des Dionysos präsent ist. Denn in der orphischen Interpretation, in der neoplatonischen Interpretation der menschlichen Natur ist diese eine doppelte. Auf der einen Seite ist sie titanisch durch den Körper und den materiellen Aspekt, auf der anderen Seite ist sie dionysisch, durch die menschliche Seele und den menschlichen Geist. Das menschliche Denken ist dionysisch. Dionysos wird als geistiges Prinzip auseinandergerissen und wird als vielfältig, aber geeint präsentiert, einzigartig in seinem Kern. Das ist das Konzept des immanenten Intellekts, nicht das Paradigma des Intellekts im Vater. Aber es stellt eine Art Sohn Gottes dar, welcher in der menschlichen Natur präsent ist und der anderen, titanischen Seite seiner Natur entgegengestellt ist. Das ist genau das Problem der Metaphysik des Dionysos und der Metaphysik der menschlichen Kultur. Sie ist eine doppelte, weil sie aus zwei Horizonten besteht. Es gibt einen titanischen Horizont, der nicht der Körper an sich ist und nicht die Materie, sondern die kybelische Lesart davon, was der Körper ist. Das ist die Noomachie. Dionysos ist der Mensch. Dionysos ist ein anderer Name für das menschliche Sein als kulturelles Sein im Zusammenhang der Überlagerung zweier Existenzhorizonte. Das ist also das Problem aller indoeuropäischen Gesellschaft – das Problem des Dionysos. Dionysos ist das in unserer Kultur eingebettete Schlachtfeld zwischen Patriarchat und Matriarchat. Genau das ist das Problem des Dionysos. Er ist das Problem der indoeuropäischen Kultur und der Schlüssel zur Noomachie der indoeuropäischen Gesellschaft in Westeuropa und in Asien, denn im Iran und in Indien existiert genau dieselbe Struktur dieses kulturellen Problems. Es gibt zwar keine Figur wie Dionysos in der indischen Kultur, aber Shiva, eine paradoxe Figur. Es gibt zwar kein direktes Äquivalent, aber es gibt immer ein Schlachtfeld zwischen diesen zwei logoi.
Interessanterweise ist in den indoeuropäischen Gesellschaften der logos des Dionysos instabil. Es gibt aber andere Kulturen, die ich bereits erwähnt habe, in denen der dionysische logos dominiert, etwa die Chinesen und Pygmäen sowie bis zu einem gewissen Punkt die Kultur der Azteken in der Neuen Welt mit der Figur des Quetzalcoatl, welcher als geflügelte Schlange eine zusammengesetzte Figur ist, aber in der indoeuropäischen Gesellschaft sind die Figur des Dionysos und ihr Feld instabil, weil sie sehr antagonistisch und konflikthaft ist. Es herrscht ein Konflikt zwischen Geist und Körper, aber nur wegen der Lesart von der Natur des Geistes und des Körpers. Wir betrachten den Geist als etwas, das zum logos des Apoll gehört und seine immanente Repräsentation in Dionysos findet. Und unser Körper wird als etwas Materielles gelesen (mit Betonung auf gelesen, er ist nicht Teil des logos der Kybele), etwas mit Schwere, aber das ist nicht notwendig. Es gibt Kulturen mit einem komplett anderen Konzept des Körpers ohne Materialität im Inneren. Aber unser indoeuropäisches Problem mit dem Gewicht des Körpers, seiner Materialität ist eine Spur des kybelischen Logos und seiner objektiven Natur. Alles mit dem wir uns beschäftigen ist eine Projektion dieses Paradigmas. Dementsprechend diktiert der Existenzhorizont Kybeles die Qualität unseres Körpers als etwas, das schwer und gleichsam eine Begrenzung der Seele ist. Das ist aber nicht natürlich, sondern es ist eine kulturelle Konstruktion unseres Körpers, unseres Geistes. Wichtig ist hierbei, dass die Figur des Dionysos in unseren Kulturen instabil ist. Das Zentrum des dionysischen logos ist immer im Fluss, oder es verweilt beim apollinischen logos, was der Normalzustand wäre, wir kennen also Dionysos als solchen nicht. Die Indoeuropäer kennen Dionysos aus der apollinischen Perspektive als den Bruder des Apoll, aber nicht ihn an sich. Also wird das Zentrum des dionysischen Verständnis an die Spitze verschoben. Es gehört zum apollinischen Universum, welches in den indoeuropäischen Kulturen dominiert. Also ist der logos des Dionysos normalerweise eine Art Fortsetzung der immanenten Dimension des logos des Apoll. Das ist der klassische oder normative Fall der indoeuropäischen Zivilisation.
Um besser zu verstehen was Kybele ist, ist es nicht ausreichend sie mit etwas Materiellem zu vergleichen, wie zum Beispiel Schallwellen. Wir haben es hier mit einem logos zu tun. Wir haben es hier nicht mit derselben Materie mit einer anderen Schwere und unterschiedlichen Dichte zu tun, sondern mit einem komplett anderen Verständnis der Welt um uns herum. Wir können also Kybele nicht als etwas außerhalb von uns betrachten, als ein Objekt, die Materie, Vibrationen, Frequenzen, die Schönheit oder die Dunkelheit. Kybele ist eine Art Weltanschauung. Wenn wir zum Beispiel über die Materie oder die Elemente sprechen, dann können wir von drei Lesarten ausgehen. Daher liegt die Hauptannahme der Noologie darin, dass der logos der Kybele, der logos des Dionysos und der logos des Apoll in der Tiefe jeder Form des Denkens innewohnen. Sie befinden sich innerhalb des Denkens und nicht außerhalb davon. Sie sind Paradigmen, welche sehr schwer zu begreifen, fassen und zu verstehen sind, weil sie sich hinter unserem Geist befinden und seine Struktur definieren. Wir können Kybele (oder Apoll oder Dionysos) nicht als Bild vor uns sehen. Wenn wir über den logos sprechen, dann reden wir über etwas, dass hinter unserem fluiden Bewusstsein ist und die Wurzeln unserer Mentalität definiert. Wir können nicht über das Reine oder Unreine, die hohe Frequenz oder die niedrige Frequenz sprechen. Eben weil es sich nicht um Materie handelt, ist es keine Welle, wir können es also nicht vor uns hinstellen.
Um nun aber mit dem logos des Dionysos fortzufahren, müssen wir die problematische Natur des Dionysos in unserer Kultur verstehen. Er ist nicht das universale Recht oder die Königsregel in unserer Kultur, es ist die Verschiebung zur Spitze hin. Sie ist nicht der reine logos des Dionysos, sondern es ist der apollinisch gewendete logos des Dionysos, mit dem wir es zu tun haben. Aber nachdem dieser ein Schlachtfeld und Zwischenraum ist, besteht immer die Möglichkeit einer gegenläufigen Lesart. Im Zuge der Bücher und Studien, welche ich über die Noomachie verfasst habe, entdeckte ich, dass darin vielleicht das metaphysische Hauptproblem aller indoeuropäischen Kulturen in der Geschichte liegt. Dieses ist eine Art Struktur, Moment und Sequenz innerhalb der Noomachie. Es ist der Schlüssel zu unserem geschichtlichen Sein und dieses ist der Schlüssel zum Verständnis was wir sind und was unsere Geschichte ist. Denn es gab immer die Anstrengung von etwas in uns, das Zentrum des dionysischen logos in die andere Richtung zu verschieben und es als etwas anzusehen, dass unter der Linie liegt, welches den logos des Apoll und den logos der Kybele voneinander trennt und unterscheidet. Ich nenne diese Annahme den dunklen Zwilling des Dionysos, Adonis oder Attis. Dieser ist nicht der Dionysos, den wir aus unserer normativen indoeuropäischen Tradition kennen, sondern ein Produkt der kybelischen Reinterpretation des Dionysos. Er ist genau der Titan, die Figur des Luzifers, der Titan Prometheus oder jemand der Dionysos sehr nahe kommt. Wir können ihn mit dem deutschen Begriff des dunklen Zwillings beschreiben oder als Adonis bezeichnen, einer Figur, die Dionysos sehr ähnlich ist. Er ist nicht normativ. Er wird als das genaue Gegenteil unserer Weltsicht angesehen, aber er ist immer gegenwärtig als der Schatten des Dionysos, aber nicht ein Schatten im materiellen Sinne. Es ist sein metaphysischer Schatten, der vielleicht älter als Dionysos selbst ist, weil er zum Kosmos der Großen Mutter gehört. Dionysos ist immer ein Mysterium, weil er nicht festgelegt, sondern dynamisch ist. Er ist das ewige Licht, das immer scheint, dass zur Dunkelheit wird, dunkler wird, verschwindet und wieder von neuem scheint. Es gibt also eine Dynamik, das Mysterium der Dynamik, das Mysteriums des Samens, der stirbt und als Spross oder Pflanze wiederaufersteht. Wir können dies als Zyklus von etwas betrachten, dass eigentlich zur Spitze gehört, ins Zentrum der Nacht hinabsteigt, in die Dunkelheit der Erde und danach wiederaufersteht und zu seinem ursprünglichen Platz an der Spitze der Schöpfung zurückkehrt. Dies ist der volle Zyklus der Sonne und damit des Jahres.
Wir könnten genau denselben Vorgang von einer anderen Warte aus betrachten. Da ist etwas das zum Boden gehört, das von der Großen Mutter erschaffen wurde und aufsteigt, den Himmel stürmt, um die Götter zu stürzen und sie zu ersetzten. Dies ist der Aufstieg des titanischen, prometheischen Elements, um die Götter zu entthronen. Aber es ist das Schicksal der Titanen wie Prometheus abzustürzen. Er kann also die Götter hereinlegen und eine Zeit lang triumphieren (wie es zum Beispiel auch Typhon in der Griechischen Mythologie gelang, Zeus hereinzulegen), aber es ist das Schicksal des Titanen hinunterzufallen. Wenn wir diesen Zyklus rekonstruieren, ist es fast derselbe, wie im Fall von Dionysos. Denn auch hier steigt etwas auf, erreicht den höchsten Punkt und fällt danach hinunter. Wenn wir also die Hauptmerkmale betrachten, dann ist es fast dasselbe Szenario, dieselbe Geschichte. Die erste Geschichte beginnt mit dem Abstieg vom Himmel auf die Erde und endet mit der Rückkehr in den Himmel. Die andere Geschichte jedoch beginnt auf der Erde, sie besteht aus der Eroberung des Himmels und dem Fall, dem Sturz der Engel, der Titanen, des Prometheus in den Tartaros. Die Titanen klettern auf den Gipfel des Olymps, reißen Dionysos auseinander, werden von Zeus mit seinem Blitz getroffen und stürzen, komplett zerschlagen in den Tartaros. Es gibt also eine Art der Noomachie, die wir von beiden Seiten betrachten können.
Zwischen dem logos des Apoll und dem logos der Kybele besteht eine Art Symmetrie, die sich über die Hauptstruktur dieser Titanomachie einig ist, aber sie lesen diesen Prozess, die selbe Geschichte, von zwei unterschiedlichen Standpunkten aus, zwei Perspektiven. Ein Zyklus besteht darin, dass Dionysos die bewusste Entscheidung trifft, in die Hölle hinabzusteigen, um seine Mutter Semele zu retten und zurück zum Olymp zu bringen. Wenn wir die Geschichte aber vom anderen Standpunkt aus lesen, finden wir die von der Großen Mutter geborenen Titanen vor, die die Götter angreifen und ihr Königreich im Himmel stürzen und danach findet die Rache des Schicksals statt, sie stürzen aus dem Himmel und landen genau an dem Punkt, an dem sie aufgetaucht sind. Wir haben es hier also mit derselben Geschichte und zwei Lesarten zu tun. Das gibt dem Problem des dunklen Zwillings sein metaphysisches Maß. Nachdem wir es mit einem Zyklus, der Logik des Jahreslaufs und der Sonne zu tun haben, stehen auch zwei mögliche Lesarten zur Wahl, wie in jedem Zyklus, mit zwei semantischen Strukturen, wie man ihn interpretieren könnte. In dem Moment, in dem Dionysos in der gemischten Gesellschaft ankommt, in welcher der Zustand einer Überlagerung der beiden Existenzhorizonte herrscht, beginnt das Problem der offenen Natur des Dionysos. Die Natur des Dionysos in unserer Natur ist absolut instabil, sie ist dynamisch, gegensätzlich und dialektisch. Es gibt nicht nur eine Möglichkeit diese Dialektik zu interpretieren, sondern zwei. Dionysos kann zur gleichen Zeit, fast einem Simulacrum des Dionysos gleichkommend, Adonis sein und Dionysos, als prä-dionysisch und dionysisch zum selben Zeitpunkt. Das Problem der europäischen Zivilisation ist das Problem des Dionysos. Es ist nichts, das wir als gegeben hinnehmen können. Es ist eine offene Frage und wir können sie nicht auf eine abstrakte Art und Weise lösen, weil wir mitten in diesem Prozess sind. Wie die Neoplatoniker bereits gesagt haben, ist Dionysos unser Geist. Unser Geist hat die Vorstellung von seinem eigenen Doppelgänger, seinem schwarzen Zwilling, bereits in sich. Unser Geist, unsere Seele und unser Sinn sind doppelt, weil sie von Natur aus dionysisch sind. Er ist geteilt und hat immer etwas zu tun, das sich im Gegensatz zu seinem inneren Selbst befindet. Das Problem des Simulacrums ist im indoeuropäischen Geist eingebettet, weil der indoeuropäische Geist ein doppelter ist und auf der Überlagerung zweier Existenzhorizonte basiert. Und wir können nicht sicher sein, wann wir Titanen sind und wann Dionysos. Der Geist ist zum Beispiel dionysisch und der Körper ist titanisch, es gibt aber auch einen dionysischen Körper und einen titanischen Geist. Also sind Körper und Geist nicht klar getrennt. Sie sind miteinander verschmolzen, weil Geist und Körper Produkte und Projektionen des logos darstellen und nicht etwas, das ohne logos existiert. In der menschlichen Welt existiert nichts ohne logos. Alles womit wir uns beschäftigen ist ein Produkt der Projektion, der Perspektive dieses paradigmatischen Zugangs. Es gibt zwei Körper und zwei Geister in uns. Einerseits den spirituellen Körper (den Körper der Wiederauferstehung in der christlichen Doktrin) und andererseits den materiellen Geist (den titanischen Geist, die mechanische Vernunft, die Berechnung). Wir haben also sowohl einen materiellen Körper, als auch einen spirituellen Geist. Und genau darin besteht das dialektische Problem unserer Kultur, denn der Doppelgänger des Dionysos ist nicht etwas das außerhalb unserer Kultur existiert, sondern ihr innewohnt.
Wenn wir es von der Warte aus betrachten, ist dies das wichtigste Konzept am logos des Dionysos. Aus diesem Grund war es so wichtig, dass Nietzsche die Figur des Dionysos entdeckt hat und Philosophen die Nietzsche folgten dieses Konzept weiterentwickelt hatten. Sie haben dieses Problem, den dunklen logos entdeckt. Dies ist das eigentliche Problem der europäischen Geschichte, weil wir nicht sicher sein können, ob wir es mit Dionysos oder Adonis zu tun haben, dem echten Geist oder dem Simulacrum des Geistes. Der logos der Kybele erklärt im Lichte dessen ausführlich und mit Sorgfalt, womit wir es zu tun haben. Er ist also die notwendige Dimension, die das gesamte Problem des Dionysos erklärt. Doch war es bereits eine metaphysische Revolution, den logos des Dionysos zu finden und zu offenbaren, wie es Friedrich Nietzsche tat, ein heroischer Akt, der das Hauptproblem des europäischen und indoeuropäischen Menschen offenlegte. Das ist das Double des Dionysos. Die Möglichkeit der titanischen Lesart des Dionysos erklärt, warum man in der Noologie vor der Einführung des logos der Kybele Dionysos mit einem Titanen oder einem negativen Aspekt des Lichtes oder dem weißen logos des Apoll verwechselte. Darin besteht also die wichtigste metaphysische Entdeckung, weil mit der Einführung des logos der Kybele, mit seiner Entdeckung alles zu seinem rechtmäßigen Platz findet. Nun können wir erkennen, warum es zu dieser dialektischen Fehlinterpretation des Dionysos kommt und er mit der schwarzen Perversion in Verbindung gebracht oder auf den Kopf gestellt wird. Und wir erkennen ebenfalls, dass der wichtigste Aspekt in der Instabilität des Dionysos liegt. Demnach bleibt die Interpretation, oder um mit Paul Ricoeur zu sprechen der Konflikt der Interpretation offen. Wir haben es hier mit zwei hermeneutischen Sphären zu tun und es bleibt immer die Möglichkeit einer Art Ersetzung, von Tricks, einer besonderen metaphysischen Perversion oder Abweichung von der semantischen Struktur, welche mit dem logos des Dionysos verbunden ist.
Um ein Beispiel für diesen dionysischen Zugang zu geben, um besser und tiefer zu verstehen was der logos des Dionysos ist, möchte ich ein paar Worte über Gilbert Durand verlieren. Dieser enorm wichtige Autor, der erst vor kurzem an Altersschwäche verstarb, war Franzose und schuf die Soziologie der Vorstellung. Die Soziologie der Vorstellung ist ein herausragendes Werk, ich habe mein drittes Doktorat über dieses Thema verfasst. Durand ist ein Schüler von Carl Gustav Jung, Henry Corbin und Gaston Bachelard, jedoch hat er eine sehr originelle Version der Struktur der Imagination entwickelt. Gilbert Duran zufolge ist der Mensch Vorstellung. Wir haben nichts anderes als die Vorstellung und wir sind nichts anderes als Vorstellung. Alles womit wir es zu tun haben sind imaginierte Strukturen. Er studierte die Wurzeln der Vorstellung und wie diese in uns funktioniert. Die Vorstellung besteht nicht in der Reflexion eines existierenden Objektes, sondern ganz im Gegenteil sind es die Objekte, die ein Produkt unserer Vorstellung sind. Zuerst stellen wir uns etwas vor und danach haben wir es mit etwas zu tun, dass wir uns zuvor vorgestellt haben. Das ist fast dasselbe wie Phänomenologie.
Ich habe bereits Edmund Husserl und sein Konzept der Intentionalität erwähnt. Husserl zufolge ist der intentionale Akt immer auf etwas hin ausgerichtet, dass außerhalb von unserem Geist existiert, aber in sich keine Qualität hat. Also ist jegliche Qualität, mit der wir es zu tun haben in unserem Geist enthalten. Husserl nennt das Noema. Den Prozess des intentionalen Aktes nennt er Noesis und das Noema ist etwas, über das nachgedacht wurde. Wir haben es hier also mit den Qualitäten der Objekte zu tun, welche unserem Denkprozess innewohnen und nicht außerhalb von ihm existieren. Das ist also Phänomenologie. Heidegger steht in dieser phänomenologischen Tradition, welche er fortsetzte, genauso wie viele andere auch. Doch Gilbert Durand schlägt einen anderen phänomenologischen Zugang vor und spricht über die Regime der Vorstellung. Durand nimmt an, dass unsere Vorstellung in drei verschiedenen Regimen arbeitet. Und diese Annahme kommt dem Konzept der drei logoi sehr nahe. Nun werden wir sehen, wie das Regime der Vorstellung eine Art innerer Zustand des menschlichen Geistes ist, der verschiedene Sequenzen basierend auf grundlegenden Bildern, Symbolen und Strukturen erschafft. Gilbert Durand zufolge gibt es drei dieser Regime. Zunächst das Diurne, welches das Regime des Tages darstellt. Dies ist das Regime des Lichtes, dass auf einem Konzept strikter Dualität gründet. Es gibt hier also strenge und absolute Unterscheidungen. Wenn wir teilen und separieren (Das Regime des Diurnischen besteht nur im Teilen, nicht im Vereinigen), dann ist alles klar wie bei Tageslicht. Dieses Regime ist ebenso eine Herrschaft der vertikalen Organisation des Raumes. Durand zufolge ist es mit den Haltungsreflexen des Kindes verbunden. Wenn das Kind damit anfängt, in einer vertikalen Position zu stehen, wird dies von der Vorstellung als Flug betrachtet. Es ist ein Pfeil der himmelwärts fliegt. Das ist der Flug. Die Vertikalität ist aufs engste mit dem Regime des Diurnischen verbunden, das ein heroisches, kriegerisches und patriarchales Regime ist. Was wir bereits über den logos des Apoll gesagt haben, kann ohne Probleme auf das Regime der Vorstellung, welches diurnisch genannt wird, umgelegt werden. Es ist die vertikale Orientierung von allem und nach Durand besteht das Regime des Diurnischen (nach dem lateinischen Wort für Tag) im Kampf gegen die Nacht, den Tod und gegen die Dunkelheit. Wir haben es hier also mit dem immerzu andauernden apollinischen Krieg des Lichtes zu tun. Auf dem Feld der Geisteskrankheiten entspricht es der Paranoia. Die Paranoia besteht in einer Verabsolutierung des Diurnischen, also wird als Konsequenz von ihr alles zerteilt bis hin zu den Atomen, sie besteht immer in einer Konsolidierung des Subjektes und einer Zerstörung des Objektes. Das ist der Krieger, der immerzu kämpft. Er zerstört alles mit seinem Schwert und das Schwert ist diurnisch, es ist etwas das zerteilt, nicht tötet, sondern zerteilt, verstümmelt, auseinanderschlägt. Das ist die Konsolidierung des Subjektes und die Zerstörung des Objektes. Das ist das diurnische Regime, welches sehr apollinisch und indoeuropäisch ist. Nach Durand wird der logos von diesem Regime geboren.
Unser Denken gründet also auf der Entwicklung dieser Art von Vorstellung. Wir stellen uns die Dinge getrennt vor. Wir trennen die Dinge und die Objekte voneinander und wir konsolidieren unser Subjekt dadurch. Jeder ist gegen uns, aber wir triumphieren über alle anderen. So erfolgt die Schöpfung der Hierarchie mit dem paranoidesten Subjekt an der Spitze, dem Zaren, dem König, der alles zerstört und sich selbst konsolidiert. Die Paranoia ist also die Krankheit der Könige, weil jeder gegen sie ist und ihren Umsturz plant (was auch manchmal der Fall ist), aber sie treten auch zum Endkampf mit dem Tod und der Dunkelheit an, denn es ist ihr Schicksal, gegen sie zu kämpfen, einen Krieg anzufangen, den Krieg zu gewinnen und alles außerhalb ihres Machtbereiches zu zerstören und alles innerhalb davon zu konsolidieren. Dies ist das normale Verhalten des Kriegers. Unsere Vernunft arbeitet innerhalb dieses Regimes. Unsere Vernunft unterscheidet, denn es ist die Hauptaufgabe der Vernunft, zu unterscheiden (Etwa zwischen: das ist so/das ist hier/das ist dort/das ist ein Ding/das ist ein anderes Ding) Die Negation ist ebenfalls sehr diurnisch, weil Negation Separation bedeutet. Was ist, was ist nicht, was existiert, was existiert nicht und so weiter. Dies schließt jede Art von Begriffspaaren mit ein. Denn unser Denkprozess gründet auf dieser Dualität, bestehend aus Paaren, auf Trennungen und darauf, ob etwas existiert oder nicht existiert. Genauso schreitet unsere Vernunft voran.
Durand zufolge ist es jedoch nicht mehr als nur ein Regime der Vorstellung unter mehreren, es gibt noch zwei andere. Beide werden „nokturn“ genannt. Das eine ist das dramatisch nokturne und das andere das mystisch nokturne. Was ist es also? Dieses Regime der Funktionsweise unseres Geistes arbeitet auf eine ganz andere Art, es trennt nicht, sondern vereint, es unterscheidet nicht, sondern vermischt. Es trennt nicht etwas das außerhalb von uns ist und konsolidiert etwas in unserem Inneren, wie es beim Diurnischen der Fall ist, sondern tut genau das Gegenteil. Es vereint alles um uns herum und dividiert uns selbst auseinander. Das ist die rein schizophrene Verhaltensweise, in der extremen Ausprägung. Es gibt also Stimmen und verschiedene Ichs im Inneren und die Welt um einen herum, die Vernunft besitzt und stärker als das Subjekt ist. Die Welt ist also geeint und stark, das Subjekt wiederum ist schwach, problematisch und krank. Das ist das nokturne Regime, das nicht auf Logik basiert, sondern auf Rhetorik und Verweiblichung, Verharmlosung. Wenn wir zum Beispiel Schmerzen erleiden, sind wir glücklich und zufrieden. Wenn es uns an etwas mangelt, betrachten wir diesen Mangel als Geschenk. Wir fürchten uns zum Beispiel vor der Dunkelheit, doch um uns daran zu gewöhnen, bezeichnen wir sie als einen Mangel an Licht. Das ist die Verharmlosung. Wir nennen die Dinge bei komplett anderen Namen, um den Schrecken zu vermeiden, der ihnen innewohnt, weil wir vor allem und auch vor uns selbst Angst haben. Wir sind unserer eigenen Existenz nicht sicher, also nennen wir Dinge bei Namen mit entgegengesetzter Bedeutung, um sie zu vermeiden. Zum Beispiel geben Frauen, wenn sie einen großen, muskulösen Ehemann haben diesem verniedlichende Namen wie Bärchen oder Schaf, um ihn zu verniedlichen und aus ihm ein Kind zu machen, um ihn unschuldig zu machen durch die Magie dieses Regimes, durch das Regime der Worte, und dies funktioniert dadurch, dass wir jenen Teil der Welt, der uns bedroht, verharmlosen und als etwas sehr freundliches behandeln. Es ist also nicht das Konzept des Kriegers, sondern das Bewusstsein des Pazifisten. So heißt es also „Seien Sie still. Wir haben etwas gemeinsam. Sie sind gar nicht so schrecklich, wie Sie ausschauen. Versuchen wir einen gemeinsamen Nenner zu finden!“ Im extremen Fall führt dies zum Stockholmsyndrom. Sie werden als Geisel genommen und nehmen die Seite der Terroristen ein. Sie teilen deren Position mit ihnen. Sofort entdecken Sie, dass sie richtige Forderungen haben. Weil es sehr schwierig ist, in einer Position der absoluten Dominanz des Anderen zu verharren, sagen Sie, „Sie sind nicht anders. Die Muslime sind sehr gut. Die fundamentalistischen Terroristen sind nette Leute. Lasst uns bei ihnen bleiben! Lasst uns beim Bösen bleiben, weil es gar nicht so böse ist! Lasst uns beim Tod bleiben, weil er nicht der Tod ist, sondern ein neuer Anfang! Lasst uns den Verlust nicht betrauern, weil er eine Art von Geschenk ist!“ Das ist also das andere Regime der Vorstellung nach Durand. Es ist sehr ausdrucksstark und sehr interessant den unzähligen Beispielen und Symbolen zu folgen, welche uns Durand in seinen Büchern und Schriften darbietet. Wir haben es hier also mit einer sehr komplexen Theorie zu tun, die ich hier nur in ihrer einfachsten Version erkläre.
Aber auch auf dem Feld des nokturnen Regimes gibt es ebenfalls zwei Versionen. Die radikale Form des Nokturnen wird von Durand das mystische Nokturne genannt. Es stellt einen kompletten Austausch von Objekt und Subjekt, dem Selbst und dem Anderen dar. Es ist ein kompletter Betrug des Selbst. Alles ist also außerhalb, im Inneren ist nichts oder nur die Reflexionen des Äußeren. Es ist die reine Nacht. Die Nacht ist das Licht, unten ist oben, männlich ist weiblich, weiblich ist männlich, zu sterben heißt leben, leben heißt zu sterben. Das ist also die reine Antiphrase in der Rhetorik. Sie nennen die Dinge bei gänzlich anderen Namen, bei gegensätzlichen Namen und sind damit glücklich. Es ist also das mystisch Nokturne, dass mit dem logos der Kybele korrespondiert. Dies ist die absolute Dominanz von etwas, das durch Selbstbetrug geschaffen wird. Das Subjekt ist nicht konsolidiert, es wurde in der Vorstellung vollkommen aufgelöst. Und der Prozess der Auflösung des Geistes erschafft die Materie oder die äußere Welt. Das Subjekt ist schwach und die Materie ist stark. Aber die Materie existiert nicht. Sie ist eine Projektion dieser Schwäche der Vorstellung. Sie ist nicht etwas, das unabhängig existiert. Sie fängt an zu existieren, als wäre sie etwas Unabhängiges, aufgrund der Schwäche des Subjekts. Das ist dieselbe Vorstellung, die das Subjekt stark oder schwach vorstellen kann. Das ist ein innerer Vorgang. Aus diesem Grund ist es so nahe am Konzept des logos. Und ich verwende dieses Konzept von Gilbert Durand in meiner Interpretation verschiedener kultureller, religiöser und historischer Phänomene.
Und dann gibt es ein drittes Regime, dass auch nokturn ist, ebenfalls ein Regime der Nacht, aber es wird das dramatische Nokturne in den Werken von Durand genannt. Es ist keine radikale Verweiblichung und Verharmlosung. Es ist eine mehr oder weniger ausgeglichene Verweiblichung und Verharmlosung. In diesem Regime nennen wir die Nacht nicht Tag und den Tag nicht Nacht. Wir nennen sie Dämmerung. Es gibt hier also weder Licht noch Dunkelheit allein, sondern etwas dazwischen. Wir befinden uns also in der Dämmerung, im Schatten, der keine vollkommene Dunkelheit ist. Das korrespondiert zum logos des Dionysos und ist problematisch, weil es radikal interpretiert als Dunkelheit gedeutet werden könnte, die versucht, Licht zu sein oder zum Beispiel als Licht, das nicht klar genug ist. Und genau darin liegt das Problem des Dionysos, über das ich gesprochen habe. Wenn also das Regime des Diurnen paranoid ist und das Regime des mystisch Nokturnen schizophren, was ist dann die Geisteskrankheit, die mit dem dramatisch Nokturnen übereinstimmt? Es ist interessanterweise die Normalität, keine Geisteskrankheit, sondern die Normalität, denn wir verwenden in einer normalen Situation das dramatisch Nokturne, den dionysischen Zugang zur Realität. Manchmal kommt es hier zur Verharmlosung und manchmal zur radikalen Trennung und Unterscheidung. Manchmal verwenden wir beide Strategien im selben Augenblick.
Psychologisch gesehen liegt das Problem also in der Vorstellung und ihrer anthropologischen Struktur. Wir stellen uns die Welt genauso vor. Wenn wir davon ausgehen, dass dort etwas Materielles ist, dann nähern wir uns dem mystisch Nokturnen an, aber bleiben im dramatisch Nokturnen. Wenn wir aber etwas klar unterscheiden und separieren, wenn es eine Art Vernunft oder Funktion gibt, dann nähern wir uns dem anderen, dem Lichtpol dieses dionysischen Konzepts an. Wir verwenden aber beide. Die Geisteskrankheit fängt dann an, wenn es in unserer Vorstellung zu klar oder zu dunkel ist, wenn wir uns zu sehr von einem dieser beiden Pole angezogen fühlen. Die gesamte Struktur der Gesellschaft kann apollinisch oder in dieser Hinsicht diurnisch sein. Das bedeutet Hierarchie, Rationalität, Gesetz, offizielle Beziehungen und Normen. Und dann gibt es die Nachtseite der Gesellschaft, in der die Gesetze verletzt werden, wo es Verbrechen gibt, Korruption und die Dominanz von allem das gegen das Gesetz geht. Dies ist der nokturne Aspekt der Gesellschaft, der in ihrem Inneren gegenwärtig ist.
Wir können uns also eine normale Gesellschaft, eine klare Gesellschaft vorstellen, aber auch eine dunkle Gesellschaft und deren Nachtseite, sowie ihre gegenseitige Einbettung ineinander. Wenn also in der einen das Recht herrscht, dann herrscht in der anderen das Verbrechen. Aber das Verbrechen ist für den Kriminellen das Gesetz. In Russland haben wir den Begriff „rechtmäßiger Räuber“ (Вор в законе). Dieser ist komplett nokturnal. Er bedeutet, dass es kriminelle Gruppen gibt deren Chef das Recht in die Hand nimmt und das Recht hat als eine legitime Figur betrachtet zu werden (obwohl er kriminell ist und gegen das Gesetz verstößt.). Das ist also der rechtmäßige Räuber (der Banken ausraubt und dabei tötet). Wir haben also eine Art gegen den Staat gerichteten Staat, deren Anführer dennoch als legal und legitim betrachtet werden. Das ist die Legitimation der Nachtseite der Gesellschaft. Manchmal interagieren sie auf eine sehr besondere Art in der Russischen Gesellschaft. Jetzt ist es schwer zu sagen wo der Tag endet und die Nacht beginnt, weil in unserer Gesellschaft beide Aspekte ineinander fließen. Aber normalerweise verstehen wir das. Im Russischen haben wir das Sprichwort „Das Recht ist nicht die Wahrheit“. Wenn Sie direkt den Rechtsweg nehmen und alle Anforderungen erfüllen, können Sie nicht rechthaben, sondern sogar böse sein, da Sie zwar auf Punkt und Komma dem Gesetz folgen, aber das Gesetz und die Wahrheit zwei verschiedene Dinge sind. Es ist unmöglich, dies Westeuropäern zu erzählen, weil sie das nicht verstehen können. Aber es ist das realistische Verständnis einer Vielzahl von Regimen der Vorstellung, die genau unserer slawischen Kultur und Gesellschaft entsprechen. Wir verstehen, dass es Gesetze der Nacht und Gesetze des Tages gibt und dass sie einander ergänzen. Darin liegt der Reichtum der Vorstellung. Wir können uns zur selben Zeit Gegensätze vorstellen. Aus diesem Grund sind wir bis zu einem bestimmten Moment dionysisch. Wir können uns mit der Dialektik beschäftigen, dem Recht und der Wahrheit. Wir können uns davon ausgehend viele Theorien vorstellen. Aber die hauptsächliche Motivation liegt im Reichtum der Regime der Vorstellung.
Damit können wir die Erläuterung des logos des Dionysos abschließen und alle historischen und existenziellen Analysen, indem wir den Satz „Dionysus ist das Dasein“ hinzufügen. Dionysus ist im Zentrum. Er ist dazwischen und gehört keinen von beiden Polen an. Und er hat einige Affinitäten für das, was Gilbert Durand das dramatisch Nokturne nannte. Das wäre dann alles und ich schlage vor, eine Pause zu machen und zu den Fragen überzugehen. Danach werden wir die sechste Vorlesung über die Struktur der europäischen Zivilisation basierend auf dieser noologischen Analyse hören.