Die Neue Rechte – Paul Gottfried

Die Neue Rechte – Paul Gottfried

Therapeutischer Staat und totalitärer Liberalismus

Bei dem US-Amerikaner Paul Edward Gottfried handelt es sich genauso wie bei Alain de Benoist und Alexander Dugin um einen der vielen „Gegen-68er“ welche die Neue Rechte ausmachen: Geboren 1941, als Sohn aus Österreich vor den Nationalsozialisten geflohener Juden, studierte er in den 60er Jahren an der Eliteuniversität Yale Geschichte. Zu seinen Professoren zählte unter anderem der Neomarxist Herbert Marcuse.

Im Laufe seines Studiums beschäftigte er sich mit den deutschen Vertretern der Konservativen Revolution wie Friedrich Nietzsche, Carl Schmitt und Martin Heidegger, aber auch mit Hegel, sowie der Frage, inwiefern deutsche Denker das konservative Denken Amerikas beeinflussten. Auffällig ist dabei auch Gottfrieds tiefe Bewunderung für die deutsche Romantik.

Darüber hinaus ging er analog zu Eric Voegelin der Frage nach, inwiefern auch nach der Aufklärung das Moderne Denken von verzerrten Elementen des Christentums geprägt wird.

Als Mitglied der Republikanischen Partei unterstützte Paul Gottfried in den 1980er Jahren Ronald Reagans Kandidatur wegen dessen patriotischer Einstellung (ähnlich wie manche Angehörige der Neuen Rechten Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen 2016 unterstützten/mit ihm sympathisierten) – eine Entscheidung die Gottfried später aufgrund Reagans neokonservativer Ausrichtung im Amt tief bereute, wie er auch in seinem Buch „The Search of Historic Meaning“ (1987) erklärte. Von diesem Zeitpunkt an war sein Denken von einer tiefen Skepsis gegenüber dem Neokonservatismus geprägt, welchen er später wie folgt charakterisierte:

„On the bogus right (as opposed to any genuine counterrevolutionary force) this egalitarian project takes the even more aggressive form of an „American global democratic mussion.“ It is seen as the duty of the American superpower and its „allies“ to bring women’s rights and other blessings of the present American regime to less advanced societies. This mission has been anchored in either made-to-wear „American values“ or some modernizing mission that the U.S. is oblieged to assume for humanitarian reasons – or because „liberal democracy“ is nowhere safe unless it has been universally imposed.“ (War and Democracy S.9)

Ab diesem Moment wurde Paul Gottfried zu einem entschiedenen Kritiker des Neokonservatismus sowie der Menschenrechte und stellte sich gegen die Idee der USA als „propositional nation“. Seine Kritik galt dabei nicht nur den Neokonservativen, sondern der gesamten amerikanischen Rechten, welche er zunehmend als weltanschaulich entgleist („derailed“) wahrnahm.

Von besonderer Wichtigkeit für die Neue Rechte ist seine Trilogie über die Entwicklung von Liberalismus und Verwaltungsstaat in der Postmoderne, zu denen die Bücher „After Liberalism“ (2001) , „Multiculturalism and the Politics of Guilt“ (2002) sowie „The Strange Death of Marxism“ (2005) zählen.

Stattdessen begründete er die Denkrichtung des Paleokonservativsmus (Paleo für „Alt“ im Gegensatz zu den „Neo“- Konservativen.), welcher ein Bekenntnis der USA zu ihrem europäischen Erbe und eine Kritik der Moderne im Sinne des konterrevolutionären/traditionalistischen Denkens forderte. Weitere Anhänger dieser Denkrichtung sind etwa der US-amerikanische Politiker und Autor Pat Buchanan, sowie Samuel T. Francis.

Gottfried gilt nicht nur als Schöpfer des Begriffes des paleoconservativsm, sondern auch der „Alternative Right“. Wie er selbst zugibt, förderte er am Anfang das Alt-Right Aushängeschild Richard Spencer, welcher dem Begriff mit der Abkürzung „Alt-Right“ schließlich zum Durchbruch verhalf.

Doch mittlerweile haben sich die Wege Paul Gottfrieds und Richard Spencers wieder getrennt: Die vom „race realism“ geprägte Rassenfixiertheit haben den Schöpfer des Begriffes Alt-Right von seinem einstigen Zögling wieder abrücken lassen. Bei den jüngsten Veröffentlichungen Paul Gottfrieds handelt es sich um einen Monographie zum Faschismus „Fascism: The Career of a Concept.“ sowie eine Artikelsammlung mit dem Namen „Revisions and Dissents.“

Der Liberalismus als politische Religion

Einer der zentralen Punkte im Denken Paul Gottfrieds ist die Wahrnehmung der modernen politischen Theorien als politische Religion im Sinne Eric Voegelins, welche der Frage nachgeht, inwiefern die säkularen Ideologien der Moderne als Glaubensersatz betrachtet werden können.

„Like the millenarian vision that accompanies our politics, this present-centeredness revolves around escalating stages of an egalitarian fixation. The denial of genetically rooted differences among groups, the exaltation of „lifestyles“ once deemed as deviant but now associated with Eliade’s „suffering just“, and the obliteration of gender roles as belonging to an oppressive hierarchy that existed in the prejudiced past, are all characteristics of the Zeitgeist. It spills over in our historical interpretations and renders it impossible to view earlier ages without taking into account the current order of victims. Indeed any deviation in the past from this imposed model of preferred victims and the required sensitivities for approaching them is considered proof positive of inexcuseably reactionary attitudes.“(War and Democracy S.8)

In der liberalistischen Ideologie sieht Paul Gottfried einen krankhaften Gleichheitswahn verankert. Die ständige Propaganda für Schwulenrechte, ethnische Minderheiten und andere sich selbst als „Opfer der Mehrheitsgesellschaft“ wahrnehmende Gruppen sieht der Historiker und Philosoph als Folge eines verzerrten Christentums, aus dem der Liberalismus die Idee der „leidenden Gerechten“ nach Mircea Eliade übernommen hat, welchen die Minderheiten in seiner therapeutischen Politik der Schuld einnehmen:

„Der Soziologe Jacques Ellul und der Kulturhistoriker René Girard verfolgen ähnliche Ziele: Beide erklären die religiöse Anziehungskraft der neuen Fortschrittsideen mit der Integration umgedeuteter christlicher Vorstellungen in die therapeutische Politik der Gegenwart. Die Vorstellung der „leidenden Gerechten“ sei „aktualisiert“ worden und bezeichne heute einmal die Dritte Welt und zum anderen diejenigen, die aufgrund ihres Geschlechtes oder ihres Lebensstils zu Opfern degradiert worden seien.“ (Multikulturalismus und die Politik der Schuld S.194)

Der liberale Staat, welcher sich bis dahin nur als Verwalter der Bevölkerung betrachtete, wird zum therapeutischen Staat, der es sich wiederum zur Aufgabe macht, die vermeintlichen Opfer der als wahlweise rassistisch/faschistisch/homophob betrachteten Mehrheitsbevölkerung über Maßnahmen zur positiven Diskriminierung zu stärken. Die Neuaneignung religiöser Motive dient „(…) dazu, die therapeutische Herrschaftsform dadurch voranzubringen, indem moralischer Widerstand diskreditiert wird.“(ebenda, S.195)

Wo eine vermeintliche Homophobie wahrgenommen wird, schickt man Sozialarbeiter in die Schulen, um dann dort so wie in New York schwule Lebensstile zu propagieren. Schließlich werden aus dieser Situation Ansprüche für eine „positive Diskriminierung“ daher eine Gleich- bzw. Besserstellung der Minderheiten gezogen.

Wer sich dagegen zur Wehr setzt, wird in der Regel mit Meinungsgesetzen (Verhetzung/Antidiskriminierung) mundtot gemacht. Die Mehrheitsbevölkerung, die weder schwul, pädophil noch in einer anderen Art und Weise abnorm ist, wird dabei durch diese Maßnahmen in die Rolle des Abnormen gedrängt, wie es sonst nur psychisch abnormen Patienten der Fall ist.

Wer sich gegen die egalitären Forderungen des Liberalismus und damit gegen die Auflösung der kollektiven Identitäten wehrt, wird als „Rassist“, „Faschist“ oder „Sexist“ gebrandmarkt und zum Abschuss freigegeben.

In Folge der positiven Diskriminierung werden nicht nur die Minderheiten jeder Art politisch gestärkt und mobilisiert, sondern auch die Mehrheit demobilisiert. Im Rahmen der Politik der Schuld wird die kollektive Identität des autochthonen Volkes dämonisiert und als verächtlich dargestellt.

Dies geschieht dadurch, dass man in der Regel die historischen Wurzeln der Menschen abschneidet und die Geschichte auf einen einzigen negativen Aspekt reduziert: Die Geschichte der Deutschen und Österreicher wird auf den Nationalsozialismus reduziert, jene der Briten und Franzosen auf die Kolonialzeit und Völkern die weder eine faschistische noch eine kolonialistische Vergangenheit haben, werden mit dem „überall gegenwärtigen“ „Alltagsrassismus“ konfrontiert, so wie in Schweden.

Die Folge dieser Politik der Schuld ist eine schwere Identitätskrise, welche schließlich – über Jahrzehnte betrieben – so weit führen kann, dass ein Volk den Willen seine Existenz fortzusetzen verliert. Beide Entwicklungen kombiniert münden schließlich in einem sanften Totalitarismus.

Dabei ist die Politik der Schuld alles andere als demokratisch:
„Homosexuellenrechte, feministisch und multikulturell inspirierte Verhaltensanweisungen und die liberale Einwanderungsideologie stellen Parameter einer Politik dar, die von oben oktroyiert werden.“

Durch die Mobilisierung der Minderheiten gegen das autochthone Volk und die Demobilisierung des Volkes wird letztlich ein permanenter Konflikt geschaffen, welcher sich jederzeit entladen kann:

„Renshon wagt die Behauptung, daß ein grundlegender Konflikt zwischen Menschen unterschiedlicher rassischer, ethnischer und kultureller Herkunft, die sich als benachteiligt empfinden, mit denjenigen, die diese Menschen als kulturell bevorzugt ansehen entstanden ist.“ (Multikulturalismus und die Politik der Schuld, S.203)

Somit entsteht ein ewiger Konflikt, welcher weder zeitlich noch räumlich begrenzt ist. Was für das eingeborene Volk zum Alptraum mit ständigem Terror und bürgerkriegsähnlichen Zuständen wird, ist für den therapeutischen Staat die wunderbare Gelegenheit um seine Kontroll-, Repressions- und Theraphiebefugnisse weiter zu verstärken.

Soziologisch gesehen schafft sich der Nationalstaat der Moderne selbst ab, indem er die Identität seiner Träger zerstört. Übrig bleiben die einzelnen losgelösten bürgerlichen Individuen, die Zivilgesellschaft, welche nach dem Weltstaat als ultimativem Ziel des Liberalismus strebt.

Somit wäre es falsch zu sagen, dass dieser Zerstörungsprozess eine Zerstörung um des Zerstörens willens wäre. Vielmehr treibt die Protagonisten der Therapeutischen Staates, seien es Sozialarbeiter, Universitätsprofessoren, Menschenrechtsaktivisten oder Minderheitenvertreter die Vorstellung an, dass sie im Rahmen der Utopie vom totalen liberalen Staat für ein gerechtes Ziel kämpfen.

In ihrer Vorstellungswelt vertreten sie das absolute moralisch Gute, ebenso wie es die Jakobiner während des Grande Terreur, die Kommunisten während ihrer Säuberungswellen und die Nationalsozialisten während ihrer Völkermorde und Vernichtungskriege von sich dachten.

Gottfried selbst sieht die Zukunft der westlichen Staaten sehr pessimistisch, da die durch die Politik der Schuld angerichteten Schäden in seinen Augen schon irreparabel sind:

„Es fällt schwer, sich vorzustellen, auf welche Art und Weise die verkümmerten gesellschaftlichen Institutionen des Westens, angefangen von der geschwächten Familie, in ausreichendem Maße wiederbelebt werden können, um ein Sozialsystem zu kreieren, das an die Stelle der gesetzlich fixierten Sozialsicherungssysteme treten könnte. Sagen wir es deutlich: Die liberal-protestantische Weltanschauung läuft im Moment in keiner Weise Gefahr, abgelöst zu werden.“(Multikulturalismus und die Politik der Schuld. S.197)

Sein Buch führt uns also abermals vor Augen, wie wichtig es aus heutiger Sicht ist, eine Alternative zur Liberalen Ideologie auf der Basis der Vierten Politischen Theorie und den Ideen der Neuen Rechten zu entwickeln.
Was Paul Gottfried in seinen Schriften klar macht ist, dass der Moderne Staat, das überbordende Sozialwesen und die liberale Identitätspolitik nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems

sind. Die Therapeutische Politik der Schuld hält uns davon ab, zu uns selbst zu finden. Die Idee der „leidenden Gerechten“ in ihrer säkularen Interpretation ist kein harmloses Emanzipationsprojekt, sondern eine Kriegserklärung.

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