Im Gespräch mit Gegenlicht

Mit der Zeitschrift „Gegenlicht“ liegt eine neue neurechte Theoriezeitschrift für den deutschsprachigen Raum vor. Ein wunderbarer Anlass um mit Arne Schimmer, Chefredakteur des Blattes ins Gespräch zu kommen.

 

1)Sehr geehrter Herr Schimmer! Vor kurzem ist die erste Ausgabe ihres neuen Magazins Gegenlicht erschienen. Was einem sofort auffällt, ist der große Umfang des Magazins von mehr als 126 Seiten. Wieso haben Sie sich für diesen großen Umfang entschieden, in einer Zeit, wo alle Zeitschriften mehr kurz und prägnant werden?

 

Na ja, es wäre jetzt wohl übertrieben, wenn ich behaupten würde, wir hätten hier schon mit dem Umfang der Zeitschrift einen bewussten Kontrapunkt zu anderen Publikationen setzen wollen. Es liegt wohl irgendwo in der Natur der Sache, dass eine Zeitschrift, die Fragen der politischen Theorie und der Kultur vertiefend behandeln möchte, am Ende dann auch etwas dicker ausfällt. Letztlich sollen unsere Autoren den Raum bekommen, den sie verdienen, und ein grundlegender Aufsatz von Bernd Rabehl oder eine Debatte zwischen Ernst Nolte und Dominique Venner benötigt eben etwas mehr Platz, ebenso unser Graphiker Jörg Hähnel, dem bei unserem Projekt eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Unser „Markenkern“ ist neben den Inhalten ein sorgfältig durchgearbeitetes Layout, das futuristische Elemente aufweisen soll, weil wir der Auffassung sind, dass die Sache der Nation heute die Sache einer Avantgarde sein muss, einer Avantgarde mit möglichst ausgeprägten kulturellen und politischen Interessen, und einer charakterlichen Avantgarde, die sich notfalls auch gegen den Malstrom bestehender Mehrheiten stellt.

 

2)Faszinierend an der ersten Ausgabe der Gegenlicht ist ihr Charakter als Debattenorgan, was man vor allem daran festmachen kann, dass in ihr sowohl Alain de Benoist und Alexander Dugin zur Möglichkeit einer Multipolaren Weltordnung interviewt werden, als auch die ukrainische Nationalisten Olena Semenyaka, welche wiederum für die Möglichkeit einer Dritten Position zwischen Land- und Seemacht eintritt. War es schwierig diese offene Debatte im Magazin umzusetzen und woher rührt dieses Interesse, Debatten innerhalb der Rechten aufzugreifen?

 

Die Möglichkeit, eine freie Debatte führen zu können, ist für meinen Redaktionskollegen Thorsten Thomsen wie für mich schon ein ganz wichtiger Punkt. Das muss dann zur Not auch schon mal bis an eine Schmerzgrenze gehen, so dass sich vielleicht jeder Leser bei der Lektüre des Hefts auch mal auf den Schlips getreten fühlt, die Zeitschrift dann zuklappt, und sich dann sagt: „Mensch, aber spannend war das doch“.

 

Ein Beispiel für ein wirklich heißes Eisen war der von Ihnen angesprochene Ukraine-Konflikt, ich hatte hier zuweilen schon den Eindruck, dass man hier ziemlich schnell als politisches Schmuddelkind abgestempelt wurde, wenn man versucht hat, auch mal die nationalukrainische Sicht einzunehmen – eine Ausnahme war übrigens die Zeitschrift „Neue Ordnung“, die sich dann sozusagen „getraut“ hat, dieses Phänomen aus einer eher habsburgischen Perspektive zu betrachten, und in der der nationalukrainischen Sicht nicht von vorneherein jede Berechtigung abgesprochen wurde.

 

Aus meiner Sicht stellt sich das so dar: Es gibt hier zwei Pole, einmal den geopolitischen Pol, und hier besteht das Bedürfnis, einen starken eurasischen Block zu schaffen, der sich zwangsläufig um die beiden stärksten Länder China und Russland gruppieren müsste. Und dann gibt es den Pol des nationalen Selbstbestimmungsrechts der Völker, geprägt durch historische Erfahrungen und Traumata und kulturelle Muster, letztlich durch ein historisches Schicksal das so einmalig ist wie die Biographie eines Menschen. Diese Pole lassen sich im Falle des russisch-ukrainischen Konflikts aber nicht gänzlich zur Deckung bringen. Soll man jetzt aber bloß die eine Sichtweise zulassen und die andere zensieren? Das würde ich nicht nur auf der sachlichen Ebene falsch finden, sondern auch auf der rein journalistisch-handwerklichen, denn guter Journalismus hat für mich auch etwas mit einer gewissen Ausgewogenheit zu tun.

 

Es gibt zuweilen schon Kritik an einem angeblich zu breiten Spektrum der zugelassenen Positionen. Ich sage mir da eher: Einen Tod musst Du sterben, auch als Redakteur einer Zeitschrift. Wer das Spektrum einer Zeitschrift zu sehr auf einige wenige Autoren verengt, der läuft jedenfalls Gefahr, jeden Wirkungskreis zu verlieren, weil er nur die paar Hundertprozentigen erreicht, die dann aber eh schon seiner Meinung sind.

 

3)Die Zeitschrift erinnert von der Gestaltung her stark an die Zeitschrift hier & jetzt in ihrer letzten Phase, die sie von 2009 bis zu ihrem Ende als Chefredakteur betreut haben. Als ehemaliger hier&jetzt Leser möchte ich Sie fragen, ob das ein Zufall ist und wenn nein, ob man Gegenlicht als geistigen Nachfolger von hier & jetzt bezeichnen kann?

 

Ja, ich denke, das kann man schon so sagen. Wir hätten die „hier & jetzt“ ja weitergeführt, wenn uns nicht ein Namensrechtsstreit dazwischen gekommen wäre. Am Ende ist jetzt aber doch etwas Neues herausgekommen, und das ist auch gut so. Das „radikal rechts“ haben wir aus dem Untertitel genommen, das mag den einen oder anderen Freund der alten „hier & jetzt“ betrüben, aber letztlich hatten wir schon zu den damaligen Zeiten immer viele Autoren an Bord, die sich wie Bernd Rabehl, Alain de Benoist, Michael Nier oder Jürgen Schwab sicherlich selbst niemals als „radikal rechts“ verortet hätten. Graphisch haben wir doch sehr viel mehr umgestellt, als es der erste Blick auf das nach wie vor scharlachrote Titelblatt vermuten lässt, wir haben viel mit neuen Schriftarten und Schriftgrößen experimentiert. Am Ende ist es wohl doch ein echter Neuanfang geworden.

 

4)Die erste Ausgabe des Gegenlichts hat durch ihre Themensetzung bei mir einen sehr positiven Eindruck hinterlassen. Können Sie mir verraten, welche Themen u.a. in den kommenden Ausgaben angesprochen werden?

 

Nein, das kann ich leider noch nicht. Wir haben uns in den letzten Wochen nach Erscheinen der Pilotnummer jetzt auch erst mal stark um Vertriebsgeschichten gekümmert. Wir werden aber bald – wie vor jedem Heft – eine intensive Redaktionskonferenz abhalten, und dann haben wir sicherlich eine erste Agenda auf dem Zettel.

 

5)In der Ausgabe kommen klassische Themen der Neuen Rechten wie Antikapitalismus, Globalisierungskritik und Europakonzepte zur Sprache. Darüber hinaus haben in dieser Ausgabe auch Autoren verschiedenster Richtungen wie Thorsten Thomsen und Frank Krämer ihre Beiträge beigesteuert – ist das Klima in der Gegenlichtredaktion trotz dieser großen Bandbreite an Meinungen immer harmonisch gewesen?

 

Ja. Es gab nie einen Punkt, wo wir uns ernsthaft gestritten haben.

 

6)Als ich online meine Facebookfreunde auf das Magazin hingewiesen habe, war eine der ersten Reaktionen darauf, es handle sich dabei um einen Versuch der NPD, innerhalb des neurechten Lagers zu fischen. Ich konnte diesen Vorwurf sowohl mit Hinweis auf die inhaltliche Ausrichtung des Blattes als auch die Tatsache, dass es sich hierbei um ein Projekt des Bildungswerkes für nationale Heimat und Identität handelt zurückweisen. Wie gehen Sie persönlich mit dieser „Was A schreibt will B nicht lesen weil er C nahesteht“-Mentalität in der Rechten um?

 

Also unabhängig von dieser einen Wortmeldung ist der Abgrenzungsfetischismus innerhalb des patriotischen und nationalen Spektrums schon ein Riesenproblem. Es betrifft ja jeden, das ist fast wie in den Moskauer Schauprozessen der dreißiger Jahre, man wird zum Tod verurteilt, weiß aber gar nicht, wieso, und bekommt das dann auch nie mitgeteilt. Und dieser Wahn erreicht dann immer wieder neue Gipfelpunkte. Da gibt es jetzt Teile innerhalb der AfD, die meinen, jeder jungen Frau und jedem junge Mann, die oder der mal an einem IB-Stammtisch teilgenommen hat, müsste bis in alle Ewigkeit jede weitere Betätigung in der Partei versagt werden. Das ist alles so derartig unnötig und selbstschädigend, dass man kaum mehr Worte dafür findet. Man muss das aus meiner Sicht schon mal so deutlich formulieren: Der Typus des Paranoikers, der in jedem, der tatsächlich oder auch nur vermeintlich zwei Millimeter rechts von seiner eigenen Position steht, gleich das absolute Böse sehen will, ist leider schon ziemlich repräsentativ für bestimmte Teile des patriotischen und nationalen Spektrums.

 

Die Linke ist da viel klüger und stärker und handelt nach dem Motto: „Solidarität ist eine Waffe“. Da ist es ganz normal, dass die bürgerlich-linke Demo mit ihren SPD-Rednern dem Schwarzen Block die Masse bietet, in denen er untertauchen kann. Da ist es ganz normal, dass der Kanzlerkandidat Schulz, wenn er auf die Gewalt angesprochen wird, nur antwortet, dass Gewalt angeblich nie links ist, obwohl das inhaltlich natürlich eine völlig blödsinnige Aussage ist. Da ist es ganz normal, dass ein Joscha Schmierer, der mit seinen Solidaritätsadressen und seinen Solidaritätsschecks in Kampuchea aufwartete, als dort Hunderttausende auf bestialische Art zu Tode gefoltert wurden, später leitende Funktionen im Planungsstab des Auswärtigen Amts übernimmt. Und genau mit der Masche ist die Linke wahnsinnig erfolgreich und hat es geschafft, mittlerweile schon zwei große Parteiprojekte in der Bundesrepublik zu etablieren.

 

Das Geheimnis des Erfolgs ist: Man macht sich nicht zum eigenen Schaden vor den Augen des politischen Gegners zur Wurst und lässt diesen entscheiden, wen man aus den eigenen Reihen entfernt und wer noch geduldet wird. Debatten werden – übrigens auch sehr hart, man lese sich nur mal die Leserkommentare auf der Homepage des „Freitag“ zu den Hamburger G20-Krawallen durch – nach innen geführt, nach außen schließt man die Reihen.

 

Von dieser Haltung sollte sich die deutsche Rechte meines Erachtens eine dicke Scheibe abschneiden. Ich plädiere aber ausdrücklich nicht dafür, etwa extremistische Positionen, die es sicherlich auch in unseren Reihen gibt, unwidersprochen zu lassen. Die Linke macht das aber eher unter sich aus und hat es so doch auch geschafft, sich vom RAF-Terror zu distanzieren. Wobei es innerhalb der deutschen Rechten ja gar nicht um die Gewaltfrage geht – die Ablehnung von Gewalt ist in unseren Kreisen ja zum Glück allgemeiner Konsens – sondern darum, einem völlig leerlaufendem Distanzierungsfetisch endlich Einhalt zu gebieten, der – etwas überspitzt – nach dem Muster abläuft: Person A hat Person B die Hand gegeben, Person B ist aber der Großcousin eines NPD-Kreisvorsitzenden, also müssen wir uns jetzt alle auch von A distanzieren!

 

Benedikt Kaiser hat auf „Sezession im Netz“ jetzt unter dem Titel „Distanzierung hier und dort“ eine brillante Analyse dieses Phänomens geliefert, zu der eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist.

 

7)Sie schreiben in der ersten Ausgabe davon, dass diese nur dank der Selbstausbeutung einiger Redakteure und Autoren zustande kommen konnte. Was war ihre persönliche Motivation dafür, so ein riskantes Projekt wie das Gegenlicht zu starten? Ist es das „Patriotische 1968“ in dem wir uns laut ihnen gerade befinden, dass sie zu dieser Neugründung motiviert hat?

 

Ja, sicher, das war ein Punkt! Und Jürgen Schwab hat in seiner „Gegenlicht“-Besprechung auch noch etwas Wichtiges hinzugefügt: Zeitschriften sind eben auch „Sehnsuchtsorte“. Wenn früher bei mir beispielsweise die „Staatsbriefe“ ins Haus flatterten und ich die graue Zeitschrift mit dem aufgesetzten Oktagon des „Castel del Monte“ aus dem Briefkasten zog, fiel ich in eine tiefe Trance, aus der ich erst langsam und stückweise erwachte, wenn ich das ganze Heft durchgelesen hatte. Eine so narkotisierende Wirkung muss die „Gegenlicht“ ja nicht gleich haben, aber ich würde mich schon freuen, wenn wir dem Leser ein paar kurzweilige Stunden der Lektüre bereiten können. Uns macht es außerdem Spaß, einigen Autoren ein Podium zu zimmern, die sonst eher eingeschränkte Publikationsmöglichkeiten haben, es aber verdienen, gedruckt zu werden. Wir können halt nicht professionell, sondern nur ehrenamtlich arbeiten, deswegen hatte ich auch mal den Begriff „Selbstausbeutung“ benutzt, aber ganz sicher nicht um zu jammern, sondern um darauf hinzuweisen, dass bei uns jeder eingenommene Cent in die Kosten für Druck und Porto geht. Die Finanzierung der nächsten Nummer ist zwar eine durchaus herausfordernde Angelegenheit, bei der wir für jede Unterstützung dankbar sind – beispielsweise indem die Zeitschrift bekanntgemacht oder auch mal ein Heft gekauft wird – aber wir schaffen das schon. Anfang 2018 wird die neue Ausgabe herauskommen!

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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