Die 4PT: Demokratie und Konservatismus

(Der folgende Beitrag stellt die Zusammenfassung der ersten Einheit des Wiener Lesekreises zur Neuen Rechten dar, welche sich mit Alexander Dugins Buch „The Rise of the Fourth Political Theory“ beschäftigt hat. In dieser Einheit haben wir uns mit den ersten beiden Kapiteln des Buches beschäftigt, in welchen Dugin die Begriffe Demokratie und Konservatismus analysiert und darlegt, worin in seinen Augen die Grundlagen für eine konservative Gesellschaft bestehen. Der Lesekreis findet einmal im Monat statt – wer Interesse daran hat teilzunehmen, meldet sich per Mail.)

Demokratie als archaische Regierungsform

Im ersten Kapitel des Buches räumt Dugin mit zahlreichen Mythen um den Begriff der Demokratie auf.

Entgegen weit verbreiteten Vorstellungen ist sie nicht die modernste, sondern die archaischste Form der Regierung. Schon in den ältesten Gesellschaften wurden die politischen Entscheidungen nach demokratischen Prinzipien gefällt. Die wichtigen Entscheidungen, welche das Schicksal des gesamten Stammes oder sogar Ethnos betrafen, wurden immer im Kollektiv gefällt. Diese Urparlamente setzten sich immer aus den Soldaten und Priestern, sowie den ältesten Familien zusammen.

Die Volksversammlung als Ausdruck des Transzendenten

Die Namen „Thing“ (germanisch), „Veche“ (slawisch) und „Res publica“ (lateinisch) deuten schon darauf hin, dass es um für die Gemeinschaft fundamentale Dinge ging, welche hier diskutiert wurden. Dabei war der Einzelne nicht von der Gemeinschaft gelöst – die Versammlung repräsentierte das Ganze und drückte in der Vorstellungswelt des Ethnos den transzendentalen Willen aus. Aus diesem Verständnis erklärt sich auch der Satz „Vox populi – von dei“.

Vorstellungen von individueller Gleichheit erkennt die Demokratie nicht an. In allen Gesellschaften wurden nur bestimmte soziale Gruppen zur Teilhabe zugelassen. In den germanischen Kriegerstämmen waren beispielsweise nur die freien Krieger und Priester zum Thing zugelassen. Sklaven, Frauen, Kinder und Fremde waren davon ausgeschlossen. In der griechischen Polis Athen waren die Bestimmungen sogar noch schärfer.

Wer von der Teilhabe ausgeschlossen war, wurde als ἰδιώτης (idiotes) bezeichnet, womit die „Ausgeschlossenen“ und „Nichtbürger“ gemeint waren.

Die Modernisierung der Politik – vom Kollektiv zum Individuum

In der Geschichte des Westens und einiger anderer Gesellschaften kam es im Zuge der Modernisierung politischer Regierungsformen zu einer Abkehr von der Demokratie hin zu Monarchie und Aristokratie. Während der sakrale Charakter der Herrschaft erhalten blieb, traten immer stärker individuelle Komponenten hervor.

Damit ging auch ein teilweiser Verlust des Kultischen einher, der nun durch die humane, rationale Herrschaft verdrängt wurde.

Indem man sich von der archaischen Demokratie weg bewegte, verloren die Menschlichen auch die Nähe zum Göttlichen. Aus diesem Grund spricht auch Aristoteles davon, dass „Die Demokratie schwanger mit der Tyrannis ist.“ Die Tyrannis folgt der Demokratie als modernere Form der Herrschaft, wo zum ersten Mal das einzelne Individuum hervortritt. Das Göttliche wird dabei vermenschlicht.

Warum also wandte man sich im Zuge der Aufklärung wieder zur Demokratie hin, obwohl zwischen der Aufklärung und der Antike mehr als 1000 Jahre lagen, die von monarchisch-aristokratischen Systemen geprägt waren?

Die Antwort liegt in der Renaissance. Indem man die rationalen Normen der katholischen Scholastik verwarf, wandte man sich wieder dem Irrationalen zu. Im Zuge der Beschäftigung mit dem Platonismus und dem antiken Griechenland wandte man sich wieder der Magie, der Alchemie und dem ägyptischen Mystizismus sowie der Kabbala zu. Das europäische Interesse an der Demokratie geht auf die Beschäftigung mit diesem Erbe zurück.

Das Archaische als Kern der Demokratie

Damit kehrt auch das Archaische wieder in die europäische Geschichte zurück. Die Demokratie selbst wird zu etwas Heiligem. Man muss einfach nur versuchen, im Gespräch mit einem Europäer oder Amerikaner die Demokratie anzuzweifeln: Sofort wird man als Idiot oder Außenseiter bezeichnet. Am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts kämpften die Suffragetten im Westen (USA und Großbritannien) noch darum, dass auch Frauen wählen durften. Vor etwas mehr als 100 Jahren waren die ehemaligen afrikanischen Sklaven in Amerika noch von Wahlen ausgeschlossen, wodurch der Kreis jener eingeengt wurde, die wählen durften. Das politische Leben in Amerika wurde (und wird) überdies von Geheimgesellschaften und Freimaurerlogen bestimmt, welche der Demokratie ihren „sakralen“ Charakter gaben.

In Europa war der Aufstieg des Nationalsozialismus mit Massenritualen, Pseudowissenschaften und scharfer Rassentrennung verbunden. Die Machtübernahme ereignete sich im modernen, zivilisierten Deutschland. Wieder wurden Menschen aus der Demokratie ausgeschlossen: Einige ließ man zu dieser ekstatischen Praxis zu, andere wurden zu ihr unter Einsatz grausamer Mittel nicht zugelassen.

Demokratie im 21. Jahrhundert – das Königreich des Antichristen

Heute, im 21.Jahrhundert, wird die Demokratie als die fortschrittlichste aller Regierungsformen präsentiert, wobei dieses Attribut freilich schon die in der Moderne entstandene soziale Fortschrittsideologie zur Voraussetzung hat (sonst wäre „fortschrittlich“ ja ohne besonderen Wert) und jedenfalls im Sinne von „auf unserer hohen Entwicklungsstufe einzig legitime Regierungsform“ gemeint ist. Auf Basis der Menschenrechte versucht man, alle Individuen in den demokratischen Prozess zu inkludieren – ganz gleich, wessen Staatsbürgerschaft sie haben, welche sexuelle Ausrichtung sie ausleben oder welcher Ethnie sie angehören. Aber auch in der Gegenwart gibt es keinen Beweis für die Rationalität der demokratischen Entscheidungen, die Relevanz des Individuums oder einen Hinweis, auf die Gleichheit der Stimmen bei der Entscheidungsfindung. Die Vernunft einer Person wird durch die Unvernunft der anderen unterdrückt und jeglicher Versuch, die Demokratie zu „modernisieren“ lässt nur ihre irrationalen und archaischen Wurzeln wieder und wieder hervortreten. Lediglich das Volk und der Ethnos werden durch das Projekt einer planetaren „Zivilgesellschaft“ ersetzt. Heute sind es keine archaischen Hohepriester, sondern die Spitzenvertreter der „Offenen Gesellschaft“ und der „Globalisierung“, welche das unverständliche Murmeln der Massen interpretieren. Man kann nur raten, wem sie wirklich dienen!

Konservatismus

Der Konservatismus zeichnet sich nach Dugin nicht durch die Vorstellung aus, einen bestimmten Zustand der Gesellschaft für die Ewigkeit zu bewahren.

Vielmehr geht es dem konservativen Denken um die Bewahrung der Essenz eines Volkes, sein Zeitverständnis ist synchron. Es steht damit im Gegensatz zum diachronen Zeitverständnis der Moderne, welches Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft jeweils als abgeschlossene Zeitabschnitte auffasst.

Das konservative Zeitverständnis

Der Konservative akzeptiert lineare Zeitauffassung, aber nur, um aus ihr den negativen Schluss zu ziehen, dass der sogenannte Fortschritt etwas Schlechtes ist. Indem er für ein synchrones Geschichtsbild eintritt, konzentriert sich der Konservative auf das Ewige in der Geschichte, das Volk. Es geht ihm nicht um die Vergangenheit, sondern um das was war, nicht um die Gegenwart, sondern um das was ist, nicht um die Zukunft, sondern um das was sein wird. Im Zentrum seines politischen Strebens steht immer das Dasein nach Martin Heidegger, das Volk. In der Geschichte seines Volkes sieht der Konservative immer helle und dunkle Seiten, aber vor allem, dass sie mit Blut geschrieben worden sind.

Das Sein über die Zeit stellen

Für einen Konservativen geht es folglich nicht um die Vergangenheit, sondern um das, was in der Geschichte konstant ist: Das Volk. Während also der Progressive stets nach dem Fortschritt strebt und die Zeit über das Sein stellt, geht der Konservative den umgekehrten Weg und stellt das Sein über die Zeit.

Da er die Zukunft als solche nicht erwartet, sondern diese gestalten will, ist der Konservative nicht im linearen Zeitverständnis gefangen und hat so den unverstellten Blick auf die Ewigkeit und ist daher auch oftmals religiös.

Ewigkeit statt Selfies am Mittelmeer

Er liebäugelt folglich auch nicht mit der Technik, dem Glanz der modernen Welt und dem Simulacrum, dem Zerrbild, welches durch Technik und Moderne geschaffen wurde. Es geht ihm nicht darum, den liberalen Stil zu imitieren und seine Ideen möglichst modisch und markttauglich zu verkaufen – weil er weiß, dass dieses entbehrlich ist und zudem ihm der Liberalismus hier haushoch überlegen wäre. Stattdessen will er die Wahrheit aufzeigen und benennen, auch wenn sie unbequem ist.

Von der liberalen zur konservativen Gesellschaft

Der Liberalismus hingegen stellt die Zeit über das Sein. Um ihn überwinden zu können, benötigt es einen vollständigen konservativen Gegenentwurf zur bestehenden Gesellschaft. Nur wenn wir die wissenschaftlichen, humanitären und soziologischen Konzepte des Liberalismus ersetzen können, ist eine bessere Gesellschaft möglich. Solange dies aber nicht der Fall ist, sind wir dazu verdammt ein Simulacrum des Liberalismus gegen das andere auszutauschen. Ohne eine ausformulierte konservative Theorie wird es kein Ende des Liberalismus geben. Dies zu leisten, soll Aufgabe der Vierten Politischen Theorie sein!

Der neue Humanismus

Eine konservative Theorie muss auch humanistisch sein und nach der Bewahrung des Menschen als Mittler zwischen Himmel und Erde streben. Folglich muss sie sich gegen alle Versuche wenden, den Menschen zu entmenschlichen, wie Transhumanismus und dergleichen.

Im Rahmen dieses heideggerschen Humanismus setzt sich der Konservative für die Bewahrung von Mensch, Volk und Raum ein.

Die höchste politische Organisationsform ist dabei das Reich, als in Volk und Raum verwurzelte sakrale Entität.

Wissenschaft: Religion, Ethnosoziologie und Geopolitik statt Wirtschaft

Folglich wird es nicht die Wirtschaft sein, welche in einer konservativen Gesellschaft die Wissenschaft dominieren wird, sondern ein Dreigespann aus Theologie, Ethnosoziologie und Geopolitik, um so der Religion, dem Volke und dem Raum, anstelle des wirtschaftlichen Denkens den angemessenen Stellenwert zu verschaffen!

 

Die 4PT: Demokratie und Konservatismus

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