Brzezinski – Der Tod des Demiurgen

Brzezinski ist tot, aber wir leben weiterhin in der Welt, welche er erschaffen hat.

(Der folgende Text stammt im englischen Original aus der Feder von Alexandr Bovdunov und erschien auf der Seite geopolitica.ru. Er beschäftigt sich mit dem Ableben Zgbinew Brzezinskis, einem der führenden Architekten der US-Außenpolitk und der Welt, die er uns hinterlassen hat.)

Brzezinski ist tot, aber wir leben weiterhin in der Welt, welche er miterschaffen hat

Zbignew Brzezinski ist tot. Ein prominenter Globalist und Atlantiker hat diese Welt am 27.05.2017 verlassen. Sein Tod wurde zuerst von seiner Tochter, der berühmten amerikanischen Fernsehsprecherin Mika Brzezinski öffentlich bekannt gegeben. In den darauf folgenden Nachrufen wurden, trotz der unterschiedlichen ideologischen Standpunkte, vor allem die außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten des Verstorbenen hervorgehoben, seine Rolle als Berater von Präsident Carter 1977 – 1981 und seine bedeutenden Beiträge auf dem Feld der Internationalen Beziehungen. Trotz alledem war Brzezinski nicht nur ein begabter Politikwissenschaftler und Staatsmann. Er war vor allem der Architekt der bestehenden Weltordnung in all ihren Ausprägungen: Von den einflussreichen Strukturen der Globalisten bis hin zum internationalen Terror; vom Totalitarismuskonzept, welches in das Hirn jedes Politikwissenschaftsabsolventen eingehämmert wird bis hin zum Amerikanisch-chinesischem Block, welcher das sowjetische Gesellschaftsexperiment zum Scheitern brachte. Brzezinski wurde im Verlauf des Kalten Krieges vom einfachen Soldaten zum General. Dieser Krieg wurde von den Vereinigten Staaten gewonnen.

Geopolitik als Schicksal

Zbignew Brzezinski war ein konsequenter Atlantiker. Die geopolitische Entscheidung im Sinne der Seemacht Großbritanniens und später der USA war entscheidend für das Schicksal dieses Sohns Polens. Als Atlantiker war er sich sehr wohl bewusst, dass die eigentliche Gefahr für die amerikanischen Weltherrschaftspläne die Landmacht Russlands und später der Sowjetunion war. Die Konfrontation mit Russland wurde zu seinem Lebenszweck. Und selbst nach dem Kollaps der Sowjetunion und dem Zusammenbruch des Kommunismus trat Brzezinski fanatisch allen imperialen Anwandlungen Moskaus entgegen. Doch gleichzeitig war Brzezinski ein rigoroser Liberalist, der im Gegensatz zu den Realisten in den Internationalen Beziehungen den Faktor Ideologie über alles stellte. Brzezinski glaubte an die Notwendigkeit, die Ideen des Liberalismus über die ganze Welt verbreiten zu müssen und an die globalistische Utopie. Brzezinski kombinierte ein tiefes Verständnis der Geopolitik (in seinem intelligentesten „geopolitischen“ Werk „The Grand Chessboard“) mit einem liberalen Zugang in den internationalen Beziehungen. Russland war für ihn in diesem Sinne das ideale Feindbild, da es den Westen nicht nur geopolitisch, sondern oft auch ideologisch herausforderte. Wenn Brzezinski behauptete, dass er Russland liebe, war das nicht gelogen: In seinem Konzept gab es einen Platz für Russland, aber es muss ein anderes Russland, als das heutige gewesen sein, mit einer anderen territorialen Zusammensetzung und einer weltanschaulich liberalen Orientierung.

Pate des Terrors

Im Rahmen der antirussischen Doktrin während des Afghanistankrieges tat Brzezinski sein Bestes, um den militanten Islamismus wiederzubeleben und ihn gegen die Sowjets zu richten. Er traf sich persönlich mit den Führern der Mudschaheddin und auch dem saudischen Mulitmillionär Osama bin Laden und überzeugte Präsident Carter davon, diese zu unterstützen. Der von ihm angestoßene Prozess führte zum Aufkommen eines neuen Phänomens in der islamischen Welt: dem globalen Terrorismus. Von Amerika ausgebildete Islamisten wurden zu einem neuen Faktor in den Internationalen Beziehungen und übertreffen die linken und nationalistischen Terroristen der 1970er Jahre in allen Aspekten. Später, als die USA selbst mit den Islamisten in Konflikt gerieten, gab Brzezinski zu Protokoll, dass er seine Entscheidung an der Wende zu den 1980er Jahren nicht bereute. Die Islamisten besiegten den ideologischen Feind der USA, die Sowjetunion und waren in seinen Augen zwar ein Übel, aber das Kleinere.

Der Vater des Trilateralismus

Brzezinski war einer der Urheber der Trilateralen Kommission. Zusammen mit David Rockefeller wurde er 1973 zu einem der Gründer dieser globalistischen Institution. Ihr Ziel war es, die politischen und wirtschaftlichen Eliten der USA, Europas und Japans zu vereinigen. Natürlich war das mittelbare Ziel die Verstärkung der Bindungen zwischen den Zentren des pro-amerikanischen Pols, der sogenannten „Freien Welt“ im bipolaren Systems. Weder Brzezinski noch Rockefeller verheimlichten, dass ihr Endziel eine vereinte Welt unter der Kontrolle der globalistischen Elite ist. In seinem 1970 erschienen Werk“Between Two Ages: America’s Role in the Technetronic Era?, rechtfertigte er die Schaffung dieses Zentrums zur Errichtung einer Weltregierung. Dieser weltbekannte Politikwissenschaftler trat auch dem New York Council on International Relations (CFR) und dem Bilderberg Club bei.

Die Totalitarismustheorie

Zusammen mit dem amerikanischen Politikwissenschaftler Karl Friedrich propagierte Brzezinski die Popularisierung der Totalitarismustheorie. Während sie die Thesen Hannah Arendts weiterentwickelten, welche die nazistischen und kommunistischen Regime in einer Kategorie subsumierten, stellten sie gleichsam Arendts These in Frage, dass sich die Wurzeln der totalitären Regime im krassen Gegensatz zu traditionellen Autokratien befänden. Für Brzezinski ist der Totalitarismus nur die industrialisierte Version der Autokratie. Folglich ist der sowjetische Totalitarismus für ihn nicht etwas Neues, der russischen Geschichte Fremdes, sondern eine Fortführung der historisch autokratischen Staatlichkeit Russlands. Andererseits demonstriert dieser liberalistische Rigorismus Brzezinski seine essenzielle Idee der dichotomischen Klassifikation „Die demokratischen Regime gegen alle anderen“.

Alles was aus der Sicht dieses Systems keine liberale Demokratie war, wurde trotz der Kritik an ihm mit dem Faschismus gleichgesetzt und daher geächtet.

Die chinesische Wahl

Einer der größten außenpolitischen Erfolge Brzezinskis war die Fortführung der Annäherung an China, welche unter Henry Kissinger begann. Am Ende dieses Prozesses wurden diplomatische Beziehungen zwischen den USA und China hergestellt und die Volksrepublik wurde zum de facto Verbündeten der USA im Kalten Krieg gegen die UdSSR. Im Falle Chinas zog es Brzezinski vor, der Logik der Geopolitik zu folgen. Als Macht des sogenannten „Rimland“ konnte China sowohl atlantisch als auch eurasisch sein, da es im Gegensatz zu Russland keine entscheidenden Teile des Eurasischen Kontinents beherrschte, also solche des sogenannten „Heartland“ (Herzland). In Hinsicht auf das Herzland war es die traditionelle Strategie der Altantiker, dieses durch die Kontrolle der Küstenzonen Eurasiens zu strangulieren – so auch im Falle der UdSSR. In den 2000ern sprach Brzezinski von den „Großen Zwei“ – einem Weltsystem, welches von zwei Mächten dominiert wird – den USA und China – als einer willkommenen Alternative zur herrschenden Instabilität. Dank ihm, aber nicht ihm alleine, leben wir heute in einer Welt, in welcher sehr viel von den Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik abhängt. Aber auch die zwei Sieger kommen zwangsweise in eine globale Rivalität, ähnlich jener Konkurrenz der Westalliierten mit der UdSSR nach dem Zweiten Weltkrieg.

Schwarze Marionette

Brzezinskis jüngster Beitrag zur Weltpolitik war Obamas Präsidentschaft. Er war sein geopolitischer Berater und wurde oft „die graue Eminenz Obamas“ genannt. Es scheint, als wäre Obama der letzte Präsident gewesen, der auf den Rat des alten Politikwissenschaftlers hörte, wie er es in seinem Buch Second chance: Three presidents and the crisis of the American superpower” beschrieb. Insbesondere der „Arabische Frühling“ kann sehr gut durch den Versuch der USA erklärt werden, das Brzezeinskische Konzept des „weltweiten demokratischen Erwachens“ in die Praxis umzusetzen. In dessen Rahmen versuchten die USA, die Kräfte der Arabischen Welt neu zu gruppieren, welche mit den Demokratiedefiziten ihrer Länder unzufrieden waren – auch wenn diese Länder unter der Kontrolle pro-amerikanischer Regimes standen. Im Bezug auf Russland schlug Brzezinski eine Strategie der Einbindung in westliche Projekte vor, welche zur Grundlage für den berühmten „Reset“ wurden. Aber etwas lief dabei furchtbar falsch.

Die Wiedervereinigung der Krim mit Russland wurde zum Wendepunkt an dem für jedermann deutlich wurde, dass es in der nahen Zukunft keine Einbindung Russlands geben würde. Der Arabische Frühling endete mit einer neuen Welle des Terrors. Bei den islamischen Terroristen handelte es sich immer schon um die Nutznießer der Ideen Brzezinskis. Trumps Sieg in den Präsidentschaftswahlen hat den alten Mann wahrscheinlich ruiniert. Er selbst glaubte bis zum Ende nicht daran. Und trotz eines von seinem Freund und Gegner Henry Kissinger organisierten Treffens sind die Chinesen eher ein Konkurrent als ein Partner in der Aufteilung der Welt. Brzezinski verließ die Weltordnung, die er geschaffen hatte in einem Zustand der Schwäche.

Tod des Denkens

Mit seinem Tod stirbt eine ganze Denkrichtung. Nein. Die Russophobie und der geopolitische Zugang werden weiterhin in der amerikanischen Außenpolitik präsent sein. Es geht um etwas ganz Anderes. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts übernahmen europäische Einwanderer das außenpolitische Denken Amerikas: Entweder solche, die in Europa geboren waren und in die Vereinigten Staaten einwanderten wie Kissinger und Morgenthau oder Brzezinski selbst und gleichzeitig mit seltenen, aber wichtigen Ausnahmen wie Samuel Huntington Teil der jüdischen Diaspora in Amerika waren. Bei ihnen handelte es sich um Kinder europäischer Migranten, welche die europäische Kultur mit der Muttermilch aufgesogen hatten. Dies gilt insbesondere für die Neokonservativen, die Erben des deutschen Juden Leo Strauss. Sogar Francis Fukuyama und sein „Ende der Geschichte“ könnten nicht ohne den Einfluss des Straussschülers Alan Bloom existieren. Anders gesagt diente der intellektuelle Erfolg des alten, nicht amerikanisierten Europas paradoxerweise den USA. Mit dem Tod solcher Dinosaurier wie Brzezinski und Kissinger wird die Quelle dieses Denkens versiegen. Die ältere Generation der Neocons stirbt und die Jüngere hat von ihr nur gelernt Israel zu lieben und Russland zu hassen, aber nicht zu denken. Es bleibt eine große Frage, ob es die USA schaffen werden, mit ihrem eigenen Hirn zu denken, sobald ihre europäische Elite in der Außenpolitik tot ist.

2 Kommentare

  1. Luzifer bekommt einen Mitbewohner hinzu, in Hoffnung das Soros ihm bald Gesellschaft leistet.

    1. Über die Toten nichts schlechtes!

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